Ein gemeinschaftlicher Beitrag von Magnus und dem Nachtwächter
Vorwort
Der erste Teil der Beitragsreihe “Geld und Glauben“ beschäftigte sich vornehmlich mit der Entwicklung in Europa nach dem Zusammenbruch des Römischen West-Imperiums und dem Stellenwert der katholischen Kirche, mit ihrem wichtigsten Bischofssitz in Rom.
Für das weitere Verständnis ist jedem zu empfehlen, auf die bereits erarbeiteten, wichtigen Grundlagen zurückzugreifen, welche sich auf die Mitarbeit der Kommentatoren begründet. Einen aufrichtigen Dank an dieser Stelle, für Euren Einsatz!
Weiter geht es auf dem Weg durch die Geschichte Europas und Deutschlands ab der Jahrhundertwende 1200 …
Friedrich II. und die Päpste
Unter Innozenz III. nahm der Streit um die Titelvergabe “von Gottes Gnaden“ einmal mehr erheblich an Fahrt auf. Nachdem die Vorgängerpäpste den Machtanspruch des römischen Bischofs erheblich gefestigt hatten, nahm Innozenz für sich offen in Anspruch, der Entscheider über die Vergabe des Kaisertitels zu sein.
58. Worauf begründet sich “Gottesgnadentum“? |
Staufer-Kaiser Heinrich VI., welcher Richard II. von England bei seiner Rückkehr aus dem “Heiligen Land“ zeitweilig gefangengehalten hatte, war 1197 im Alter von nur 32 Jahren verstorben und hinterließ als möglichen Thronfolger den erst dreijährigen Friedrich, was den Deutschen Thronstreit zwischen Welfen und Staufern zur Folge hatte.
Das Reich hatte infolgedessen zunächst zwei Könige, welche sich beide nicht vollständig legitimieren konnten. So mischte sich Papst Innozenz in den an sich reichsinternen Zwist ein und spielte politisch motivierte Machtkarten aus. Letztlich wurde Friedrich II. 1220 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches “von Gottes und des Papstes Gnaden“, was die endgültige Loslösung der Reichskirche von den Herrschaftsansprüchen des Kaisers besiegelte.
21. Was ist ein König? |
Zumindest die Gnade des Papstes hielt jedoch nicht lange an, denn bereits 1227 wurde Friedrich II. von dem gerade erst zum neuen Papst gewählten Gregor IX. exkommuniziert, da er aufgrund eines Seuchenausbruchs gegenüber Gregors Vorgänger wortbrüchig wurde und seinen Aufbruch ins “Heilige Land“ (Kreuzzug) verschieben musste.
Friedrich zog ohne Legitimation des Papstes mit einem Deutschritter-Heer nach Jerusalem, wo er über den Verhandlungsweg Frieden herstellte und 1229 das Königreich Jerusalem für sich vereinnahmte – wobei jedoch die al-Aqsa-Moschee und der Felsendom den Muslimen überlassen wurde, was den Templern ausdrücklich zuwiderlief.
64. Wem dienten die Kreuzzüge ins “Heilige Land“? |
Erwähnenswert ist weiter, dass Friedrich II. dem Deutschritterorden mit der Goldbulle von Rimini das Kulmer Land zusprach, was sich im späteren Verlauf der Geschichte (möglicherweise bis in die Jetztzeit) als eine Art Rückversicherung über die Hoheitsrechte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation erweisen sollte.
67. Was ist eine „Bulle“? |
Der Kaiser hatte sich derweil mit Papst Gregor IX. ausgesöhnt, doch im Zusammenhang mit Herrschaftsstreitereien mit dem Lombardenbund entbrannte 1239 erneut ein Konflikt mit dem Papsttum, was zum neuerlichen Bann Friedrichs und seiner buchstäblichen Verteufelung führte, in dessen Folge er 1245 von dem inzwischen zum nächsten Papst gewählten Innozenz V. beim Konzil von Lyon abgesetzt wurde.
Infolge der Absetzung, spätestens jedoch mit dem Tode Friedrichs II. im Jahre 1250, kam es zu einer Zeit unklarer Herrschaftsverhältnisse im Reich, dem Interregnum, welches erst mit der Königswahl des dem Stauferkaiser getreuen ersten Habsburger Herrschers, Rudolf I., im Jahre 1276 sein Ende fand.
Machtverschiebung in Europa
Während des Interregnums büßte das Römisch-Deutsche Reich erheblich an Einfluss ein und Frankreich dehnte seine Macht in Europa in dieser Zeit maßgeblich aus. Dies ging sogar soweit, dass der französische König Philipp III. als Kandidat für die Königswahl im Römisch-Deutschen Reich gegen Rudolf antrat, jedoch in Ermangelung der Unterstützung der deutschen Fürsten ohne Erfolg.
Derweil stiegen die Spannungen in Frankreich über die noch verbliebenen englischen Lehen des angevinischen Reiches, was letztlich zum Französisch-Englischen Krieg der Jahre 1294 bis 1298 führte. Die englischen Besitzungen in der Gascogne verblieben vorerst als Lehen des französischen Königs und wurden zu einer der wichtigsten Ursachen für den wenig später beginnenden “Hundertjährigen Krieg“ zwischen Frankreich und England.
26. Was ist ein Lehen? |
Das Papsttum hatte in dieser Zeit erheblich an Einfluss und Macht gewonnen und sich angesichts des seit Jahrhunderten schwelenden Konflikts mit den deutschen Königen und Kaisern verstärkt dem französischen Königreich zugewandt. Einer der Hintergründe dürfte die stetig gewachsene Zahl von französischen Bischöfen sein und so wurde mit Clemens V. im Jahr 1305 folglich ein Franzose zum Papst gewählt.
Clemens residierte in Avignon, wo nach dem Brand im Lateranpalast in Rom 1309 nun das Papsttum seinen Sitz hatte, und stand voll unter der Kontrolle des französischen Kapetinger-Königs Philipp IV.. Dessen aufgrund mehrerer Kriege kostspieliges Regiment war in weiten Teilen fremdfinanziert und Philipp war der größte Schuldner des im Rahmen der Kreuzzüge sehr reich gewordenen Templerordens, welcher sich vornehmlich in Frankreich niedergelassen hatte.
Mit einer konzertierten Aktion am Freitag, dem 13. Oktober 1307, begann eine bis dahin beispiellose Verhaftungswelle. Der Templerorden konnte nicht auf den Schutz seines Papstes zählen, denn Clemens musste befürchten, selbst für vermeintliche Ketzerei und Sodomie (wie sie den Templern vorgeworfen wurde) im Auftrag Philipps verhaftet zu werden. Am 22. März 1312 wurde der Orden durch Clemens offiziell aufgelöst und der letzte Großmeister, Jacques de Molay, wurde am 18. März 1314 als “rückfälliger Ketzer“ auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Kaiser Karl IV. und die Goldene Bulle
Der aus dem Hause Luxemburg stammende Karl IV. wurde 1346 zum Römisch-Deutschen König und im Zuge seines Italienfeldzuges wurde er von einem von Papst Innozenz VI. abgesandten Kardinal 1355 in Mailand zum Kaiser des Römisch-Deutschen Reiches gekrönt. In seine Zeit fiel der “Schwarze Tod“, welcher 25 Millionen Opfer gefordert haben soll und im Reich zum Pestpogrom führte.
Um den immer wieder auftretenden reichsinneren Machtkämpfen um die Königswürde entgegenzutreten, welche insbesondere im Interregnum zu erheblichen Einflusseinbußen geführt hatten, wurde auf Anordnung Karls in Nürnberg ein Hoftag einberufen und am 10. Januar 1356 ein neues Gesetzbuch verkündet: Die Goldene Bulle.
74. Welche Auswirkungen hatte die Goldene Bulle? |
Darin wurde unter anderem genau geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Königswahl abzuhalten und wer stimmberechtigt war. Darüber hinaus wurde der päpstliche Einfluss ausgeschaltet, wenn auch vorerst an der Kaiserkrönung durch den Papst festgehalten wurde. Die in diesem “kaiserlichen Rechtsbuch“ festgelegten Abläufe hatten bis zum Ende des Reiches 1806 Bestand.
Abendländisches Schisma
Obwohl Karl IV. stets guten Umgang mit den Päpsten pflegte und der Überlieferung nach auch “sehr fromm“ war, vermochte er keinen Einfluss mehr in die große Kirchenspaltung des Jahres 1378 nehmen, da er im selben Jahr verstarb. Nachdem die Päpste seit 1309 offiziell in Avignon residierten und folglich dauerhaft unter dem Einfluss des französischen Königtums und der damit einhergehenden Abhängigkeit standen, verließ der 1370 zum Papst gewählte Gregor XI. 1376 Avignon und brachte das Papsttum nach Rom zurück.
Nach seinem Tod 1378 wurden die machtpolitischen Anstrengungen verschiedener Kardinäle zum Auslöser des Abendländischen Schismas, welches die katholische Kirche zeitweise in drei Teile (Rom, Avignon, Pisa) mit entsprechenden Päpsten und Gegenpäpsten spaltete. Das vom Kardinalskollegium einberufene Konzil von Pisa im Jahr 1409, welches zugleich den sichtbaren Beginn des Konziliarismus darstellte, vermochte keine Lösung herbeizuführen, sondern förderte nur die Spaltung.
Erst der römisch-deutsche König Sigismund vermochte mit der Einberufung des Konzils von Konstanz in den Jahren 1414 und 1415 eine Lösung herbeiführen, indem der Pisa-Papst Johannes XXIII. vom Konzil abgesetzt wurde, der römische Papst Gregor XII. seinen Anspruch aufgab und der Avignon-Papst Benedikt XIII. vollständig isoliert und nach seiner Flucht nach Spanien 1417 ebenfalls abgesetzt wurde.
77. Welche politische Funktion hatten Papst- und Kaisertum in dieser Epoche? |
Am 11. November 1417 wurde der aus Rom stammende Kardinal Oddo di Colonna als Martin V. zum Papst gewählt, womit die Einheit der römisch-katholischen Kirche wiederhergestellt wurde. Sigismund wurde 1433 von Martins Nachfolger Eugen IV. zum ersten römisch-deutschen Kaiser seit Karl IV. gekrönt. Mit dem Tod von Sigismund im Jahre 1437 endete die Herrschaft der Luxemburger und das Zepter wurde von den Habsburgern übernommen.
Münzgeld und der Ewige Pfennig
Bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts wurde üblicherweise mit Pfennigen gehandelt, welche erst etwa ab dem 17. Jahrhundert als Brakteaten bezeichnet wurden. Dabei handelte es sich um einseitig geschlagene Hohlmünzen aus Silberblech, welche regelmäßig verrufen wurden und gegen neue eingetauscht werden mussten – dies unter Abzug eines, je nach Region schwankenden, Schlaggeldes, welches dem Münzherrn zufloss.
Brakteaten waren Regionalmünzen und dienten als Tauschmittel für Waren, vor allem auf den regionalen Märkten. Doch verringerte sich deren Wert über die Jahre durch immer höhere Kupferbeimischungen und so hatten insbesondere die Handelsstädte ein Interesse daran, ein stabiles Zahlungsmittel für den Handel zur Hand zu haben, um den Wertverfall und die teils hohen Zwangsgebühren für den Umtausch in regionale Pfennige zu umgehen.
Folglich kauften sich zunehmend Städte und Stände ihr Münzrecht vom jeweilig herrschenden Kurfürst oder Bischof und gaben den “Ewigen Pfennig“ heraus, welcher vordergründig keinem Verfall unterlag. Allerdings versäumten die Münzer am selben Strang zu ziehen und so ging die Münzverschlechterung auch mit diesem Pfennig weiter.
Um sich dem entgegenzustellen wurden bereits im 13. Jahrhundert Dickmünzen aus reinem Silber geprägt, die Groschen (1 Groschen entsprach zumeist 12 Pfennigen). Zur selben Zeit kamen durch die Kreuzzüge auch maßgebliche Mengen an Gold nach Mitteleuropa, was zur Prägung von Gulden führte (etwa 3,5 Gramm Feingold, ein Gulden = 240 Pfennige), denen jedoch aufgrund der mit der Zeit wieder schwieriger werdenden Verfügbarkeit (und der Gier der Münzer) ebenfalls zunehmend Kupfer oder auch Silber beigemischt wurden.
Im Jahr 1559 wurde der ursprünglich aus Venedig stammende Dukat zur Reichsmünze des Römisch-Deutschen Reiches erklärt, da diese Münze sich von allen als wertstabilste erwiesen hatte. Der Dukat hielt sich bis 1857, als er für das Gebiet des Deutschen Zollvereins abgeschafft wurde.
80. Welche Funktion hatten Geldmünzen in dieser Epoche? |
Die Fugger und das Haus Habsburg
Im Zuge der Ausdehnung des Handels innerhalb des Reiches und vor allem über den immer stärker werdenden Seehandel, dessen Mittelpunkt Venedig war, vermochten regionale Händler und Kaufherren immer größeren Einfluss auszuüben. Die Augsburger Fugger hatten sich mit Baumwollhandel aus Italien bereits ein beträchtliches Vermögen aufgebaut und Jakob Fugger vermochte seine Familie zu einer der mächtigsten des ausgehenden 15. Jahrhunderts und beginnenden 16. Jahrhunderts machen.
Als wohlhabende Kaufherren waren die Fugger in der Lage, lukrative Bankgeschäfte mit den Habsburgern und der Kurie in Rom zu tätigen. Wenig später stieg die Familie in den Montanbau ein und sicherte sich den Zugang zu wertvollen Bodenschätzen, wie Silber und insbesondere Kupfer, wo sie zeitweilig eine Art Monopolstellung in Europa einnahm.
83. Was ist eine Bank? |
Nach dem Tod von Kaiser Friedrich III. übernahm sein Sohn Maximilian I. 1493 die römisch-deutsche Königskrone und durfte sich ab Februar 1508 mit Zustimmung des Papstes “Erwählter Römischer Kaiser“ nennen. Maximilian kam durch die massive Unterstützung Jakob Fuggers an die Macht und dieser finanzierte auch Eheschließungen, welche Maximilian die Königreiche Spanien, Böhmen und Ungarn in die Hände spielten.
Maximilian hatte mit Spanien 1494 ein Bündnis geschlossen, welches die gleichzeitige Vermählung seines Sohnes Philipp mit Johanna von Kastilien und die seiner Tochter Margarete mit dem spanischen Thronfolger Johann (auch Juan) zur Folge hatte. Mit der Einheiratung in das spanische Königshaus und der daraus letztlich resultierenden spanischen Königswürde des Habsburgers Karl V., welcher 1530 zum Römisch-Deutschen Kaiser gekrönt wurde, wurde der Grundstein für die Erbfolgekriege mit den Franzosen um die Vorherrschaft in Europa gelegt.
87. Welche historisch bedeutende Veränderung zeigte sich in der Königs- und Kaiserwahl Maximilian I.? |
Schlussanmerkung der Autoren
Dieser zweite Teil der Beitragsserie “Geld und Glauben“ baut auf die im ersten Teil dargelegten Grundlagen auf, dies nicht nur bei der Betrachtung der weiterführenden Geschichte, sondern auch in Bezug auf die Hintergründe der Geschehnisse.
Wir empfehlen den geschätzten Lesern ausdrücklich, auch hier selbst in die Tiefe einzusteigen, den gestellten Fragen nachzugehen und die nun zunehmend erkennbaren Verbindungen miteinander zu verknüpfen. Etwaige Antworten aus dem Forum auf die Fragen dieses zweiten Teils werden hier begleitend eingepflegt.
***
Alle Rechte der auf N8Waechter.net verwendeten externen Inhalte liegen grundsätzlich bei den Verfassern der Originale.
Aufrichtigen Dank an alle Unterstützer dieser Netzseite!
Sie möchten den Nachtwächter auch unterstützen?
Hier einige Worte zu der Frage: „Wie?“