Ein gemeinschaftlicher Beitrag von Magnus und dem Nachtwächter
Vorwort
Der erste Teil der Beitragsreihe “Geld und Glauben“ beschäftigte sich vornehmlich mit der Entwicklung in Europa nach dem Zusammenbruch des Römischen West-Imperiums und dem Stellenwert der katholischen Kirche, mit ihrem wichtigsten Bischofssitz in Rom.
Der zweite Teil drehte sich um das Ringen der weltlichen Herrscher mit dem Papsttum um Vorherrschaft und Macht sowie um den zunehmend wichtiger werdenden Aspekt “Geld“.
Für das weitere Verständnis bietet sich jedem an, auf die bereits erarbeiteten, wichtigen Hintergründe aus Teil 1 und Teil 2 zurückzugreifen, welche sich auf die Mitarbeit der Kommentatoren begründet. Aufrichtigen Dank an dieser Stelle, für Euren Einsatz!
Die Welt wurde erheblich größer, die Interessen der europäischen Nationen wuchsen und der Zwist in der Kirche erreichte einen neuen, fatalen Höhepunkt …
Die Entdeckung der “Neuen Welt“
Nachdem im Jahre 395 das Römische Imperium in ein westliches und ein östliches aufgespalten wurde, hatte das Byzantinische Reich seit der im 7. Jahrhundert beginnenden Islamischen Expansion nach und nach große Teile des alten Reiches aufgeben und sich nach Kleinasien zurückziehen müssen.
Bereits Mitte des 14. Jahrhunderts drängte das Osmanische Reich massiv nach Westen und mit der endgültigen Einnahme Konstantinopels im Jahre 1453 durch die Türken, hatte sich eine erhebliche Störung der Handelswege nach Asien manifestiert. So versiegte der Handel mit Seide und Gewürzen aus Indien und China und die Notwendigkeit zum Finden neuer Handelswege entstand.
Die größten Seemächte in Europa Ausgangs des 15. Jahrhunderts waren Spanien und Portugal. Beide mühten sich einen Seeweg nach Asien zu finden, um den Handel auf diesem Wege wiederherzustellen. Portugal konzentrierte sich dabei auf die Südroute um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika und Vasco da Gama vermochte als erster Indien auf dem Seeweg zu erreichen.
Der Genuese Christoph Kolumbus folgte dagegen der Auffassung, in Richtung Westen über den Ozean nach Indien segeln zu können und gewann das spanische katholische Königspaar Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón für seinen Plan. Diese hatten gerade erst die Iberische Halbinsel von den Mauren zurückerobert und schlossen mit Kolumbus im April 1492 einen Vertrag, in dessen Folge sich auch Europa im Rahmen der Entdeckung der Neuen Welt desselben Jahres maßgeblichen Veränderungen ausgesetzt sehen sollte.
Entgegen der oft falsch wahrgenommenen Motivation, hatte Kolumbus sich zum Ziel gesetzt “El Dorado“, das Goldland, zu finden und große Mengen Gold, Silber und andere Schätze von dort zurück nach Spanien zu holen. Sein Ziel erreichte er nicht, doch die durch seine Entdeckungsreisen wiedergefundenen Gebiete jenseits des Atlantiks führten im 16. und 17. Jahrhundert zur massiven Ausbeutung durch die vornehmlich spanischen Konquistadoren.
Nachdem Papst Alexander VI. 1493 die Welt zwischen Spanien und Portugal aufgeteilt hatte, wurde die Aufteilung im Vertrag von Tordesillas zwischen Spanien und Portugal neu verhandelt, was nicht nur zu Demarkationslinien und der Verhinderung kriegerischer Auseinandersetzungen der beiden Länder führte, sondern auch zur Aufteilung der vermeintlichen Ansprüche auf die Neue Welt.
89. Welche wirtschaftliche Veränderung wurde durch die Ausdehnung des Osmanischen Reiches verursacht? |
Reformation
Im Jahre 1516 wurde Carlos I. aus dem Hause der Habsburger der erste König von Spanien (Kastilien, León und Aragón) und erbte 1519 das Erzherzogtum Österreich. Er wurde als Karl V. zum römisch-deutschen König gewählt und trug, nach seiner Krönung 1520, den Titel “erwählter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches“. Karl war der letzte römisch-deutsche König, welcher vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde.
Karl führte mehrere Kriege gegen den französischen König Franz I., um sein spanisches Königreich durch die Einnahme Südfrankreichs mit dem Rest des Reiches zu verbinden, was jedoch nicht gelang. Hinzu kam die Bedrohung des nach Westen drängenden Osmanischen Reichs, welches 1529 bis Wien vordrang und es letztlich erfolglos belagerte.
Finanzieren konnte er diese Kriege vornehmlich durch die spanischen Kolonien in Übersee, doch seine häufige Eingebundenheit in die äußeren Konflikte verhinderte zugleich eine maßgebliche Einflussnahme auf die seit dem Jahr 1517 einsetzende Reformation des Christentums im Reich.
Martin Luther hatte in jenem Jahr seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlicht, welcher sich zu dieser Zeit zu einer regelrechten “Industrie“ herausgebildet hatte. Die Ablasszahlungen der vermeintlich reuigen Sünder wurden beispielsweise zur Finanzierung von Feldzügen und gar für den Bau des Petersdoms in Rom herangezogen.
Der Mainzer Erzbischof Albrecht nutzte die Einnahmen aus dem Verkauf von Ablassbriefen zur Tilgung seiner Schulden bei den Fuggern, welche ihm erst seinen Titel und das damit verbundene kurfürstliche Wahlrecht möglich gemacht hatten. Der in Albrechts Auftrag tätige Ablassprediger Johann Tetzel veranlasste Luther letztlich zur Anprangerung des Ablasshandels in Wittenberg, was die neuerlich und diesmal anhaltende Spaltung der römisch-katholischen Kirche einleitete.
95. Welchen Stellenwert hatte das Papsttum Anfang des 16. Jahrhunderts? |
Glaubenskonflikte und die Vorherrschaft der Habsburger
Nachdem Kaiser Karl V. 1556 förmlich abgedankt und sich in ein Kloster in Spanien zurückgezogen hatte, wo er 1557 nachweislich an Malaria verstarb, übernahm 1558 sein Bruder und kaiserlicher Stellvertreter, Ferdinand I., gegen den ausdrücklichen Willen von Papst Paul IV. die römisch-deutsche Kaiserwürde und bezeichnete sich als “Erwählter Römischer Kaiser“. Ferdinand vermochte bereits in seiner Funktion als römisch-deutscher König unter Kaiser Karl im Jahre 1555 die der Reformation geschuldeten Konflikte im Reich zumindest vorerst beenden.
Karl hatte zuvor seinem Sohn Phillip II. die spanische Krone samt allen dazugehörigen Königreichen und Kolonien vermacht und dieser führte die Bestrebungen seines Vaters weiter, Frankreich in die Knie zu zwingen. Die bereits seit Ende des 15. Jahrhunderts zwischen den Habsburgern und den Franzosen begonnenen Kriege um die Vorherrschaft in Italien, fanden mit dem Frieden von Cateau-Cambrésis im Jahr 1559 ihr Ende, welcher den Habsburgern die Vormachtstellung in Europa verschaffte und zumindest über die kommenden Jahrzehnte Ruhe vor den Franzosen bescherte.
100. Was bedeutet „Erwählter Römischer Kaiser“? |
England und der Protestantismus
Derweil trennte der aus dem Hause Tudor stammende englische König Heinrich VIII. England von der römisch-katholischen Kirche und ermächtigte sich selbst im Jahre 1531 zum Kirchenführer der Kirche von England, weshalb er von Papst Clemens VII. exkommuniziert wurde. Dieser Schritt trug maßgeblich dazu bei, die reformatorischen Kräfte im römisch-deutschen Reich zu stärken und der lutherischen Kirche zu ihrer Anerkennung zu verhelfen.
Die älteste Tochter von Heinrich VIII., Maria, stand mit ihrem Vater aufgrund ihres Festhaltens am Katholizismus in Konflikt, weshalb ihr Vater sie aus der Thronfolge ausschloss, dies mit der Begründung, dass die Ehe zwischen ihm und seiner ersten Frau und Marias Mutter, Katharina von Aragón, annulliert worden war. Im Jahr 1544 legte Heinrich, nach der Versöhnung mit Maria, die Thronfolge endgültig fest und bestimmte seinen Sohn Eduard, Maria und ihre aus Heinrichs Ehe mit Anne Boleyn stammende Stiefschwester Elisabeth.
104. Wer war Katharina von Aragón? |
Heinrich VIII. verstarb im Januar 1547 und hinterließ Eduard VI. minderjährig den Thron. Die streng katholische Maria widersetzte sich allen Anfeindungen des protestantischen Adels in England und setzte nach Eduards frühem Tod im Jahre 1553 ihre Thronfolge durch, wobei sie auch von ihrer Halbschwester Elisabeth unterstützt wurde. Maria I. wurde zur ersten Königin Englands.
Im Jahr 1554 heiratete Maria den habsburgerisch-spanischen Thronfolger Philipp II. und stärkte damit die Verbindung zwischen Spanien und England, was sogar im Eingreifen Englands in den Krieg zwischen Spanien und Frankreich mündete. Auch der Katholizismus erfuhr bis zu Marias Tod im November 1558 ein kurzes Wiederaufleben, welches jedoch mit der Thronübernahme ihrer Halbschwester Elisabeth I. und dem Beginn des Elisabethanischen Zeitalters in England endgültig ihr Ende fand.
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Die Kirche zerbricht
Nach dem Tode Ferdinand I. wurde dessen Sohn Maximilian II. 1562 zum römisch-deutschen König gewählt und 1564 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (“Sacrum Imperium Romanum Nationis Germanicæ“). König Philipp II. von Spanien übte nach wie vor Druck auf Frankreich aus, welches nach dem Frieden von Cateau-Cambrésis maßgeblich an Macht eingebüßt hatte und nach dem Tod des französischen Königs Heinrich II. nachhaltig unter Glaubenskonflikten zwischen Katholiken und Protestanten sowie Streitereien um die Thronfolge und Machtinteressen des Adels litt.
In Frankreich erstarkte zugleich der protestantische Calvinismus, während Katharina de Medici, als Frau des verstorbenen Königs Heinrich II., mittels ihrer Söhne die Macht im Land übernahm. Innenpolitisch und konfessionell war das Land tief gespalten, wie die aufgrund des Glaubens inszenierten Hugenottenkriege deutlich aufzeigen, welche erst unter dem ersten Bourbonen-König Heinrich IV. 1598 ihr Ende fanden.
110. Welchen Stellenwert hatte die römisch-katholische Kirche im 16. Jahrhundert? |
Verschiebung der Machtverhältnisse in Europa
Nachdem die Kriege zwischen Frankreich und England sowie Frankreich und Spanien 1559 beigelegt worden waren, hatte Frankreich erheblich an Einfluss verloren und mit Konflikten im Innern zu kämpfen. In England lag derweil die Wirtschaft am Boden und das Land litt noch unter den Glaubenskonflikten. Elisabeth I. trennte ihr Königreich endgültig von der römisch-katholischen Kirche und konsolidierte den Staatshaushalt.
In den dem Königreich Spanien angeschlossenen Niederlanden kam es derweil zu Aufständen, welche 1581 in der Erklärung der Unabhängigkeit von Spanien mündeten, was das ehemalige Mutterland zu einer nachhaltigen Blockadepolitik veranlasste, welche wiederum von England unterlaufen wurde. Im Gegenzug unterstützten die Spanier mit dem Segen des Papstes die Katholiken in Irland.
114. Welche Folgen hatte die Abtrennung der römisch-katholischen Kirche durch Elisabeth I.? |
Seekrieg zwischen Spanien und England
Neben politischen und konfessionellen Gegensätzen bekam die Seemacht Spanien mit England einen ernstzunehmenden Konkurrenten auf dem Meer und englische Kaperfahrten in von Spanien beanspruchten Gewässern der Neuen Welt, von der Krone nicht nur sanktioniert, sondern auch mitfinanziert, lieferten reichlich Beute und Gründe für einen neuen Krieg.
Nach mehreren spanischen Übergriffen auf englische Territorien befahl Elisabeth 1585 Francis Drake Vergeltung zu üben, welcher sich bereits im Zuge mehrerer Kaperfahrten einen Namen gemacht hatte. Die Raub- und Brandschatzfahrten dauerten bis zum Jahre 1587, als Drake die englische Flotte wieder in ihre Heimat brachte.
Derweil bereitete Philipp II. die spanische Flotte auf die Invasion Englands vor, welche sich 1588 mit einer Armada von 130 Schiffen von Lissabon aus auf den Weg machte, um in den Niederlanden eine Invasionsarmee an Bord zu nehmen, was jedoch scheiterte. Die englische Flotte vermochte die Spanier in tagelangen Gefechten letztlich in die Nordsee zu treiben, wo der Armada durch einen anhaltenden Sturm der Rest gegeben wurde. Von den 130 Schiffen kehrten nur 68 nach Spanien zurück.
116. Was war der Grund für den Versuch Philipp II. England zu erobern? |
Folgen der Reformation
Anders als im englischen Herrschaftsbereich, wo der Katholizismus massiv zurückgedrängt worden war, fanden sich auf dem Festland infolge der lutherischen Reformation mehrere kirchliche Konfessionen. Die konfessionelle Spaltung im Reich wurde mit dem Augsburger Reichs- und Religionsfrieden des Jahres 1555 und dem damit einhergehenden Reformationsrecht zum Reichsgesetz, doch wurde dabei zwar das katholische und das lutherische Glaubensbekenntnis als gleichwertig anerkannt, jedoch nicht das reformierte.
Die sich in den darauf folgenden Jahren ausbildende Zersplitterung des Reiches im Namen der Konfession sowie umfassendes Gerangel um Machtinteressen der weltlichen und geistlichen Fürsten verursachte in Teilen gar die Handlungsunfähigkeit einzelner Reichsinstitutionen und schuf so ein Konfliktpotential, welches nur wenige Jahrzehnte später zur wohl größten Katastrophe des 17. Jahrhunderts führen sollte.
121. Was hatte sich innerhalb des Reiches durch die Reformation nachhaltig geändert? |
Schlussanmerkung der Autoren
Dieser dritte Teil der Beitragsserie “Geld und Glauben“ baut auf die in den ersten beiden Teilen dargelegten Grundlagen auf, dies nicht nur bei der Betrachtung der weiterführenden Geschichte, sondern auch in Bezug auf die Hintergründe der Geschehnisse.
Geld und Glauben (Teil 1)
Fragen und Antworten (Teil 1)
Geld und Glauben (Teil 2)
Fragen und Antworten (Teil 2)
Wir empfehlen den geschätzten Lesern ausdrücklich, auch hier selbst in die Tiefe einzusteigen, den gestellten Fragen nachzugehen und die nun zunehmend erkennbaren Verbindungen miteinander zu verknüpfen. Etwaige Antworten aus dem Forum auf die Fragen dieses dritten Teils werden hier begleitend eingepflegt:
Die Serie wird zeitnah mit dem vierten Teil fortgesetzt.
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