Von Siegfried von Xanten
Gemeinhin gilt ja der 9. November als Schicksalstag der Deutschen. Als Belege werden genannt: der Mauerfall 1989, 1938, der Marsch auf die Feldherrnhalle 1923 und die Novemberrevolution 1918.
Und die Schlacht von Gammelsdorf 1313. Gammelsdorf? Der spätere Kaiser Ludwig der Bayer setzte sich gegen seinen Vetter Friedrich den Schönen durch. Historische Schlaglichter. Wendepunkte der deutschen Geschichte.
Allerdings bediente man sich auch in Rom schon dieses Datums. So soll am 9.11. 235 St. Pontianus in einem Steinbruch auf Sardinien erschlagen worden sein. Der „erste ab 230 amtierende Bischof von Rom, für den es ein geschichtlich belegtes Datum gibt“. Nach seiner Absetzung durch den römischen Kaiser Maximinus Thrax zunächst zur Zwangsarbeit verurteilt und dann erschlagen.
Und St. Pontianus bringt nun eine zweite Zahl ins Spiel. 230. Oder die 23. Oder als Datum den 23. Mai. Was hat es also auf sich mit dem 23. Mai und der 23?
Die Dreiundzwanzig ist eine ungerade Zahl zwischen 22 und 24. Eine natürliche Zahl. Und eine Primzahl. Also eine Zahl, die nur durch 1 und durch sich selbst teilbar ist. Primzahl, also erster Klasse. Und sonst?
Sie ist die kleinste Primzahl, die nicht Teil eines Primzahlzwillings ist. Solche Zwillinge sind zum Beispiel 5 und 7 oder 11 und 13. Der Abstand der beiden Zwillinge beträgt 2. Und die 23 ist neben ihrem großen Bruder, der 239, die einzige Zahl, die man nicht als Summe von weniger als neun Kubikzahlen schreiben kann.
Ein Problem. Als Waringsches Problem verbucht. Nach Edward Waring. Obwohl es Leonard E. Dickson war, der 1939 herausfand, dass 23 und 239 die beiden einzigen Zahlen sind, die tatsächlich neun Kuben benötigen.
Die beiden einzigen. Nicht einzigsten. Bei einzige scheint wiederum ein ganz anderes Phänomen auf. Das Phänomen des Absolutadjektivs. Ein Adjektiv, …:
„… das semantisch keine Steigerung erlaubt, da die Teilhabe an dieser Eigenschaft nur ganz oder gar nicht, aber nicht in variierendem Maße möglich ist.“ |
So wie die Teilhabe an den Eigenschaften, schwanger oder dreieckig zu sein. Wobei man sich ein bisschen mehr schwanger ja noch vorstellen kann. Wenn jemand Zwillinge oder Drillinge bekommt. Lauwarm und mündlich gehören auch zur Familie der absoluten Adjektive. Ebenso lebendig und tot. Wenn zum Beispiel im Rheinland plötzlich jemand stirbt, dann ist er tot geblieben und wird auch nicht mehr lebendiger.
Leer, voll, ganz, optimal und absolut gehören auch zur Familie der absoluten Adjektive. Allerdings können diese in übertragener oder relativer Bedeutung sogar gesteigert werden. Der Superlativ wird dann Hyperlativ genannt. Die optimalste Lösung. Das leerste Glas. Oder wenn Pastor Müller predigt:
„Pastor Müllers Predigten sind lebendiger als Pastor Schmidts Predigten.“ |
Wie auch immer, der prominenteste Vertreter aller Absolutadjektive, die gegen allen Sinn und Verstand gesteigert werden, ist einzig. Google führt unter „einzigste“ mehr als 3,5 Millionen Treffer.
Einen Volltreffer hat auch der Träger des folgenden Tattoos gelandet:
„Der Hund ist das einzigste Wesen auf der Erde, dass dich mehr liebt, wie sich selbst.“ |
Konsequent wäre gewesen, wenn der Tätowierer auch noch geschrieben hätte: dass dich mehr lieben tut. Wunderbar. Und als Tätowierung lebenslänglich. Auch Deppenapostrophe sind bei Tätowierern sehr beliebt.
Ein Literaturtipp:
„Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann?“ |
Ein Niedergang:
„Es war einmal eine Sprache, die vor lauter Poesie und Wohlklang die Menschen zu Tränen rührte. Die von Dichtern und Denkern immer weiter perfektioniert wurde. Die um ein Haar auf der ganzen Welt gesprochen worden wäre. Das aber ist lange her – und ein für alle Mal vorbei. Heute ist Deutsch ein linguistisches Auslaufmodell! […] Warum wundern wir uns nicht, wenn uns die Werbung von Care Companys, Createurs d’Automobiles oder Sense and Simplicity erzählt? Und wieso, verdammt noch mal, nennen wir unsere Kinder Justin, Cheyenne oder Jeremy?“ |
Oder Geronimo.
„Ich weiß, wo dein Haus wohnt.“ |
Geronimo hat das nicht gesagt, aber seinen Kopf verloren. Genauer gesagt seinen Schädel. Das heißt er hat ihn eigentlich gar nicht verloren, sondern er wurde gestohlen. Der Schädel des Geronimo. Das sagt „Chief“ Ned Anderson, der auf der Suche nach den sterblichen Überresten des Apachen-Häuptlings war.
Prescott Bush, der Vater von George H. W. Bush und Großvater von George W. Bush, soll ihn mit fünf anderen Knochendieben ausgegraben und der Skull & Bones Bruderschaft geschenkt haben. Geronimos Schädel soll sogar Gesellschaft haben. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass sich auch Pancho Villas Haupt in der Gruft in New Haven befinden soll. Als Chief Anderson um die Herausgabe von Geronimos Schädel bat, bot man ihm den eines zehnjährigen Jungen an.
Zum Logo der Knochen und Schädel Bruderschaft gehört auch die Zahl 322. Die Raumnummer des Inneren Tempels. In der Gruft. Dass man dabei an den griechischen Redner Demosthenes gedacht hat, der 322 gestorben sein soll, ist Spekulation. Immerhin soll der Legende nach die Göttin Eulogia 1832 aus dem Himmel herabgestiegen sein. Nachdem sie 322 den griechischen Rhetor beim Aufstieg begleitet hatte.
Und was sagt der Führer zu den Knochen?
„Als ich jung gewesen bin, haben die Ärzte gesagt, der Mensch muß Fleisch essen, weil er sonst keine Knochen bekommt. Das war falsch!“ |
Nicht Skal, sondern Skull & Bones ist eine Studentenverbindung der Yale Universität. 1832 gegründet. Und finanziert von der Russell Trust Association. Skal heißt prost. Und „‘Prost‘ kommt aus dem Vulgärlateinischen und ist seit zehn Jahren verboten“. Sagt Dr. Hans-Michael Klein, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Knigge Gesellschaft.
„Auch ‚Gesundheit‘ sagt man nicht. Weder beim Anstoßen, noch wenn jemand niest“. So der Experte. In Zeiten der Pest habe man „Gesundheit“ gesagt. Wenn eine infizierte Person niesen musste. Allerdings habe man nicht der infizierten Person Gesundheit gewünscht, sondern Gott gebeten, selbst gesundzubleiben.
Es gelte immer die Angemessenheit der Situation, des Ortes, der Personen und der Zeit zu beachten. Auf einer Hochzeit sei es zum Beispiel nicht angemessen, mit „Von der Mitte zur Titte zum Sack, zack zack!“ anzustoßen. So der Knigge-Experte.
Bei der Auslese der Schädel und Knochen Kandidaten ist Knigge jedenfalls nicht anwesend. Wer die Wahl angenommen hat, wird von einer Abordnung von Bonesmen besucht und in der Toilette unsanft gegen die Wand gepresst. Dort erhält der Kandidat dann Instruktionen für den folgenden Abend in der Gruft.
Von der Mitte zur Titte zum Sack, zack zack! Instruktionen und Parolen. Einprägsam formulierte Vorstellungen und Zielsetzungen. Vielleicht auch ein motivierender Leitspruch. Kurzum, man denkt – umgangssprachlich, derb – an Scheißhausparolen. Dafür darf der Neophyt seine ganze Lebensgeschichte erzählen, „einschließlich der sexuellen Entwicklung und begangener Vergehen und Verbrechen sowie die eigenen charakterlichen Schwächen“. Wunderbar.
„Raum 23 Bei allen Sonnen, das ist wunderbar“. Ein Buch von Jürgen Timm. Klappentext:
„Ich befinde mich in der Savanne, nachts, am Lagerfeuer, unter den Sternen. Ich lausche den Stimmen der Nacht. Ich staune, wie vielfältig sie sind, alle möglichen Laute, Zirpsen und Piepsen, Grunzen, Bellen, Brummen, Schlagen. […] Ich schaue zu den Sternen hoch. Die Sterne, die Sonnen, Myriaden von ihnen. Ich frage, wie sie entstanden sind – die Milchstraße, das Universum.“ |
Das habe ich mich auch schon gefragt. Raum 23.
Gibt es für die 23 auch so ein Gesetz, wie für den Führer? Also dass sich bei zunehmender Dauer einer Diskussion die Wahrscheinlichkeit, dass sich die 23 vorstellt, dem Wert 1 annähert? Godwins Gesetz für die 23?
Mystisch, geheimnisvoll, gefährlich. Attribute, die man mit der 23 verbindet. Da ist zum Beispiel die Romantrilogie „Illuminatus“ aus den Siebzigern.
„Die 23 ist ein Teil des kosmischen Codes. Sie steht in Verbindung mit so vielen Synchronizitäten und seltsamen Koinzidenzen, dass das alles einfach etwas bedeuten muss – ich hab nur nicht herausgefunden, was!“ |
Sagt Robert Wilson, einer der Illuminatus-Autoren.
Und sonst? Was gibt es sonst noch so zur 23?
- Quersumme des 11.09.2001.
- Rücktritt des Kabinetts Stresemanns und Verbot von NSDAP und KPD. Am 23. November 1923.
- Die tödlichen Schüsse auf Olof Palme um 23:23 Uhr.
- Der Anschlag auf die Berliner Diskothek „La Belle“ 1986. Hausnummer 23.
- Flugkatastrophe des TWA-Fluges 800. Mit 230 Toten.
- Das Inferno von Waco und der Bombenanschlag von Oklahoma City. Jeweils am 19.04. Quersumme 23.
- William Shakespeare. Geboren am 23. April 1556. Und gestorben am 23. April 1616.
- Julius Cäsar. Ermordet mit 23 Messerstichen.
- Der 23. Juli. Beginn des neuen Jahres bei den Sumerern und den alten Ägyptern.
- Weltende 2012. Am 23. Dezember.
- Amtsenthebungsverfahren gegen Richard Nixon. Gemäß Artikel 2, Absatz 3 der US-Verfassung.
- 23 Atombomben. Gezündet von den Vereinigten Staaten über dem Bikini-Atoll im Pazifik.
- Der menschliche Biorhythmus. 23 Tage.
- Das lateinische Alphabet. Mit 23 Buchstaben.
- Mann und Frau. Mit jeweils 23 Chromosomen.
- Die Adresse der Freimaurer-Loge in Stafford, England. 23 Jaol Road. In New York City in der 23. Straße.
- Amerikanische Münzen. Mit 23 Zeichen aus Buchstaben und Zahlen.
- Alice im Wunderland, das ausgestopfte Kaninchen und die Schachtel mit der 23.
- Der Obelisk in Paris. 23 Meter hoch.
- Und Star Trek? Spielt im 23. Jahrhundert.
- Und die NSDAP? Errang bei der Reichstagswahl am 31. Juli 1932 230 von insgesamt 608 Mandaten.
- Und der Führer? Übermittelte Alfred Rosenberg am 23. Juli 1942 all das brieflich, was er „kurz vorher gesprächsweise an Ansichten über die Ostpolitik entwickelt hatte.“
Gut. Aber wie steht es mit deutschen Ereignissen? Der Prager Fenstersturz. Ereignete sich am 23. Mai 1618. Schon der zweite. Den ersten hatte es bereits am 30. Juli 1419 gegeben. Am 23. Mai 1618 warfen protestantische Stände-Vertreter die königlichen Statthalter Jaroslaw Borsita Graf von Martinitz und Wilhelm Slawata von Chlum und Koschumberg sowie den Kanzleisekretär Philipp Fabricius aus dem Fenster. Gewalthandlung in der Form der Defenestration. Lateinisch.
Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Wendepunkt in der Geschichte Europas. Verheerend für Deutschland:
„Noch heute gilt ‚Dreißigjähriger Krieg‘ als Metapher für die Schrecken des Krieges schlechthin, dauerte es doch Jahrzehnte, bis sich Deutschland von den Verwüstungen erholte, die der längste und blutigste Religionskrieg der Geschichte angerichtet hatte.“ |
Religionskrieg?
„Die Bevölkerung verringerte sich auf gut 60 % des Vorkriegsstandes. Am schwersten betroffen war ein Streifen von Pommern und Mecklenburg im Nordosten Deutschlands über Thüringen sowie Teile Hessens in der Mitte bis zu den kleinräumigen Gebieten im Südwesten. Nach Schätzungen schrumpfte die Bevölkerung in Deutschland von 16,5 Millionen im Jahr 1618 auf 10,5 Millionen im Jahr 1648. Die Landbevölkerung ging um ca. 40 Prozent, die städtische Bevölkerung um etwa 25 Prozent zurück.“ |
Weniger durch unmittelbare Waffengewalt, als durch Krankheiten und Seuchen, durch Hunger und Kälte.
Mecklenburg? „Das Paradies liegt doch in Mecklenburg.“ Nach offizieller Lehrmeinung nur in Nordafrika beziehungsweise im Vorderen Orient zu finden. Allerdings hätte sich die Verführung Evas über einen Apfel dort recht schwierig gestaltet, weil es den Apfel dort weder in der Einzahl noch in der Mehrzahl gab. Sehr wohl aber in Mecklenburg:
„Außerdem finden wir das Verlaufsmuster des biblischen Tritonstroms weltweit nur in der Topologie eines Flußnetzes wieder, nämlich im geradezu ‚genialen‘ Flußsystem der Peene, Trebel und Tollense, das von Hundert verheerenden kleinen Bächen ‚gewässert‘ wird. Einen auch nur annähernd ähnlichen hydrographischen Zustand finden wir nirgendwo – nicht im vertrockneten Nordafrika, nicht im teils fruchtbaren Mesopotamien.“ |
Aufschlussreich sind die Felsenbilder von Bohuslän. In Schweden. Mit einer Darstellung des Gekreuzigten, des Großen Bären und Sodomie treibenden Affenmenschen und Elefanten und Giraffen.
Und was sagt Meyers Konversationslexikon von 1889? Nicht zu den Sodomie treibenden Affenmenschen, sondern zum Westfälischen Frieden:
„Das Reich verlor durch den Frieden eine Ländermasse von mehr als 100.000 km² mit 4,5 Millionen Menschen und erhielt eine ganz zerstückelte, wehrlose Grenze gegen Frankreich.“ |
Und:
„Der Kaiser musste im Frieden auf den letzten Rest seiner Macht verzichten.“ |
Und was sagt Meyers Konversationslexikon zur SPD? Eine „Begrüßungsformel: Salutem plurimam dicit (abgekürzt S. P. D., ‚sagt schönsten Gruß‘)“. Im Ausgang eines Briefes. Und für die Eiligen gibt es „Salutem dicit (abgekürzt S. D.), oder auch bloß Salutem (S.).“
„Sagt schönsten Gruß.“ Das dachten sich wohl auch Ferdinand Lasalle und die Abgesandten aus Leipzig, Hamburg, Harburg, Köln, Düsseldorf, Elberfeld, Barmen, Solingen, Frankfurt am Main, Mainz und Dresden, als sie den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein am 23. Mai 1863 gründeten. Ursprung der heutigen SPD. Ein Samstag. Und ein schöner Gruß ans Kaiserreich. Und ein Meilenstein auf dem Weg hin zu dem unverdaulichen Salat, den wir heute demokratisch vorgesetzt bekommen.
Wenngleich der Führer wiederholt davon sprach, …:
„… daß er nach seinem Staatsbesuch in Italien 1938 erkannt habe, welchen Dienst ihm die Sozialdemokraten damit erwiesen hätten, daß sie 1918 die Monarchen vertrieben. Er ging dabei immer davon aus, daß die Revolution und die Beseitigung der Dynastien planmäßig herbeigeführt worden seien.“ |
Dem alten Herrn wiederum waren die Sozialdemokraten nicht geheuer. Alfred Hugenberg:
„Auf wen sollte er sich stützen? Die Deutschnationalen waren unfähig. Gegen die Verfassung geht er nicht! Was soll er machen? Es war ihm eine große Überwindung, mit gewissen Sozialdemokraten und Zentrumsleuten zusammenzuarbeiten. […] Der alte Herr hat mich eingeladen: Herr Hitler, ich will hören, was Sie für Gedanken haben! Es war wahnsinnig schwer, über einen solchen Abgrund weg eine Weltanschauung zu vermitteln. Anknüpfen konnte ich nur an militärische Erkenntnisse über die Notwendigkeit des Aufbaus einer Organisation. Die Brücke zum Soldaten habe ich sofort gehabt, aber die Brücke ins Politische zu finden, war ein großes Kunststück. Als ich fertig war, steigerte er sich in Zustimmung hinein. Und dann erinnerte er sich eines Vorgangs aus Ostpreußen: Aber so dürfen Ihre jungen Leute auch nicht vorgehen! In Tannenberg kürzlich riefen sie: Erwache! Erwache! Ja, ich schlafe doch nicht! Es waren Leute da gewesen, die den alten Herrn glauben gemacht hatten, das habe sich auf seine Person bezogen, während der Ruf doch ‚Deutschland erwache!‘ gewesen war! Gleich danach ließ er mich wissen, er werde mich immer hören, wenn es etwas zu entscheiden gäbe.“ |
Zu entscheiden gab es dann 1933 einiges. Ausgeführt in einer Rede nicht vom 23. Mai, sondern vom 23. März. Ein „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“. Zur Beschlußfassung unterbreitet:
„Die Gründe für diesen außerordentlichen Vorgang sind folgende: Im November 1918 rissen marxistische Organisationen durch eine Revolution die vollziehende Gewalt an sich. Die Monarchen wurden entthront, die Reichs- und Landesbehörden abgesetzt und damit die Verfassung gebrochen. Das Gelingen der Revolution im materiellen Sinne sicherte die Attentäter vor dem Zugriff der Justiz. Die moralische Legitimierung suchten sie in der Behauptung, Deutschland bzw. seine Regierung trügen die Schuld am Ausbruch des Krieges. Diese Behauptung war wissentlich und sachlich falsch. In der Folge führten aber diese im Interesse unserer damaligen Feinde liegenden unwahren Anschuldigungen zur schärfsten Unterdrückung des gesamten deutschen Volkes und der Bruch der uns in den 14 Punkten Wilsons gemachten Zusicherungen dann für Deutschland, d. h. für das schaffende deutsche Volk, zu einer Zeit grenzenlosen Unglücks. Alle die von den Männern des November 1918 gemachten Versprechungen erwiesen sich, wenn schon nicht als bewußte Irreführungen, so doch als nicht minder verdammenswerte Illusionen. Die ‚Errungenschaften der Revolution‘ waren, im Gesamten genommen, nur für kleinste Teile unseres Volkes angenehme, für die überwältigende Mehrheit aber, zumindest soweit sich diese durch ihre redliche Arbeit das tägliche Brot verdienen mußte, unendlich traurige.“ |
Ob unendlich traurig oder unendlich perfide, oder beides, auf jeden Fall konsequent im Sinne der Anklage waren dann die unwahren Anschuldigungen, die aus dem Schmundt-Protokoll abgeleitet wurden. Ein Schlüsseldokument der Nürnberger Ankläger. Das Schmundt-Protokoll zur Führer-Rede vom 23. Mai 1939. Irgendwann später aus dem Gedächtnis verschriftlicht. Die „unklarste Urkunde über eine Rede Hitlers“. So Großadmiral Raeder:
„Ich habe nur Angst, daß mir im letzten Moment noch ein Schweinehund einen Vermittlungsplan vorlegt.“ |
Und was sagt Wikipedia?
„Adolf Hitler gibt der militärischen Führungsspitze Deutschlands bekannt, ‚bei erster passender Gelegenheit‘ das Nachbarland Polen überfallen zu wollen.“ |
Gut. Der Schweinehund. So wird Geschichte geschrieben.
Geschichte schrieb auch die Wehrmacht. Am 23. Mai 1942. Nach mehrtägigem Ringen gelang es …:
„… der deutschen Wehrmacht in der Zweiten Schlacht um Charkow im Krieg gegen die Sowjetunion, mehrere sowjetische Armeen bei Charkow einzukesseln. Die Kapitulation erfolgt am 28. Mai.“ |
Eine der letzten siegreichen deutschen Kesselschlachten.
Kapituliert haben am 8. Mai 1945 auch Heer, Luftwaffe und Marine des Deutschen Reiches. Drei von vier Waffenarmen.
Und am 23. Mai 1945 wurde die Regierung Dönitz – mit provisorischem Sitz in Flensburg-Mürwik – von den Alliierten dann für abgesetzt erklärt und verhaftet. Auf Befehl Eisenhowers. Jetzt Kriegsgefangene. Und eine „Fülle von Pressephotographen“. Dönitz:
„Es erübrigt sich jedes Wort.“ |
„Zehn Jahre und zwanzig Tage.“ Das Gebiet Flensburg-Glücksburg großräumig umstellt von einer britischen Panzerbrigade. Ein Spektakel.
Nachdem die Mitglieder der Reichsregierung …:
„… im Gebäude sich nackt hatten ausziehen müssen und ihnen alle Papiere und Wertgegenstände weggenommen worden waren, die sie trotz wiederholter Eingaben nie wieder bekamen, mußten sie sich im Hof mit im Nacken verschränkten Armen dem Kreuzfeuer der Photographen stellen. Friedeburg, der auf der Rückfahrt von der Patria Zeuge dieser Szene wurde, nahm unter ihrem Eindruck Gift.“ |
Eine ehrenvolle Behandlung. Durch ehrenwerte Sieger.
Gut. Dass die „Würde des Menschen“ unantastbar ist, ließ man ja auch erst 1949 ins Grundgesetz schreiben. Für die Bundesrepublik Deutschland. Am 23. Mai vom Parlamentarischen Rat verkündet. Gültig für die Trizone. Mit Ausnahme des Saarlandes.
„Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ |
Und Gewalt übten die Siegerstaaten ja reichlich aus.
Akkusativ. Nicht Genitiv. Für die Bundesrepublik Deutschland. Nicht der. 1979 muss sich der Genitiv dann beschwert haben. Und fortan fand die Wahl des Bundespräsidenten am 23. Mai statt. Beginnend mit Karl Carstens. Als Horst Köhler dann vorzeitig keine Lust mehr hatte, war mit Christian Wulff auch der 23. Mai wieder Geschichte.
Horst ist ein männlicher Vorname. Erstmals erwähnt in der niederdeutschen „Weltchronik“. Von Dietrich Engelhus. 1424. Dort …:
„… wird der angelsächsische Heerführer Horsa so genannt. Ob es sich dabei um eine Angleichung an den Namen seines Bruders Hengist („Hengst“) handelt oder aber an das althochdeutsche hurst („Horst“ im Sinne von „Gebüsch, Gestrüpp, Hecke, Wald“), ist unklar. Der Name Horsa geht zurück auf altenglisch hors (englisch horse, das entspricht dem deutschen Ross).“ |
Und wenn man das Pferd hinter den Wagen spannt, heißt das, dass das kein Grund zum Entspannen ist. Denn man hat etwas verkehrt angefangen. Und wenn man das merkt, ergibt es nicht wenig Sinn auszusteigen. Das ist in etwa so, wie mit dem toten Pferd. Wenn das Pferd erst merkt, dass es tot ist, kann es nicht mehr aussteigen. Und für den Reiter gibt noch einmal besondere Ratschläge.
Horst ist kein Adjektiv, kann aber gesteigert werden. Vollhorst werden manchmal Menschen genannt, die sich nicht sehr klug verhalten. Kurzum, ein Vollhorst ist ein Vollidiot. Ein Vollpfosten. Eine Beleidigung. So wie Alpha-Kevin.
Woher kommt nun der Vollhorst? Das lässt sich, anders als beim Horst, nicht genau sagen. Regional gängig war zunächst nur die Formulierung „sich zum Horst machen“. Ansonsten war der Horst immer schon bei Adlern beliebt. Und 1934 der beliebteste Jungenname.
Der Vollhorst erfreute sich dagegen bei Google im November 2005, im Mai 2012 und im Juli 2018 besonders starker Nachfrage.
Und was sagt der Führer? Nicht zu Horst oder Vollhorst, sondern zu Scharnhorst:
„Wie viele Denker gibt es auf der Welt! Ich kann nur sagen: Auf meinem Tisch habe ich immer die Büste von Scharnhorst stehen; er hat begonnen, das Volk wieder gesund zu machen. Die anderen haben uns Beifall geklatscht mit unserem Dichten und Denken, weil sie genau wußten, was das für sie bedeutet!“ |
Und die Scharnorst? Das „erste nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland gebaute Schlachtschiff.“ Benannt nach Gerhard Johann David von Scharnhorst. Preußischer Generalleutnant. Und vorbildlicher Militärreformer in der Zeit der Befreiungskriege.
Und heute? Werde Scharnhorst grundsätzlich schlecht gemacht. Sagt Manfred Mertins. Dabei sei die Kriminalitätsentwicklung in Scharnhorst relativ undramatisch, so der Polizei-Bezirksbeamte Andreas Bergmann. Und dafür habe man jetzt „mit objektiven Zahlen die Bestätigung erhalten“. So Gerti Zupfer, SPD-Vorsitzende. Dortmund-Scharnhorst.
Und was sagt der Führer zu diesen Zahlen? Nicht 23, sondern nur 10 Jahre und der Konjunktiv würde zum Indikativ. 10 Jahre, …:
„… so würden die Flugzeuge alle über 8000-10000 Meter hoch fliegen. Der Seeverkehr würde unter dem Meer vor sich gehen. Die normale Welt würde ein ganz angenehmes Leben führen.“ |
Und das Reich …:
„… in eine Quadratur geteilt: Mit Spiegeln geblendet, sieht der Flieger nur lauter Licht! Wenn man alle 500 Meter im Quadrat vier Spiegel auf stellt, da ist schon allerhand zu machen! Vor dem Krieg, als ich sagte, daß wir auf solche Zahlen kommen!“ |
Es muss ja nicht immer 23 allein sein. Es könnte auch 65 + 23 sein. Oder 100 – 12. So ist die Lage. Und Lage ist ein Anagramm von egal. So ähnlich wie Neger von hinten. Wie auch immer – egal. Und egal ist 88.
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