Von Xantens Kolumne – Winkelzüge

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Von Siegfried von Xanten

„Wollen Sie mir auch ohne Wendung, ohne Winkelzug, antworten? Mit nichts, als einem trockenen Ja, oder Nein?“, fragt das Fräulein Minna Major von Tellheim in Lessings Lustspiel Minna, nicht von Stahlhelm, sondern von Barnhelm. Der „Stahlhelm“ war dagegen ein Wehrverband. 1918 von Franz Seldte in Magdeburg gegründet und bewaffneter Arm der Deutschnationalen Volkspartei, der DNVP.

Und zu Magdeburg und Umgebung besaß auch der Führer eine besondere Affinität. Während der in Übersee weilte, schlummerten seine sterblichen Überreste in Biederitz bei Magdeburg vor sich hin. Bis 1970. In einer Munitionskiste. Zusammen mit Eva Braun und der Familie Goebbels. Nachdem der Führer sich zunächst erschossen und dann vergiftet hatte und dann von Otto Günsche verbrannt worden war.

Oberst Kowalenko, Major Schirokow und Oberleutnant Wladimir Gumenjuk hätten, laut Bericht, am Morgen des 5. Aprils 1970 insgesamt 5 Munitionskisten gefunden. Mit den Resten der Führung des Dritten Reiches. Dann hätten sie mit den Munitionskisten ein Lagerfeuer gemacht und dann seien sie mit ihrem Jeep GAZ-69 auf der Landstraße K1010 bis zur Umflutehle gefahren, in Sichtweite der Schweinebrücke. Und Wladimir Gumenjuk habe die Lagerfeuerasche ins Wasser gestreut. „Gasmasken schwefeln“, so die offizielle Überschrift der Aktion.

Das Ende einer Odyssee. Aus- und eingegraben, mit Gustav Wehler, dem Doppelgänger zunächst verwechselt, dann wieder ausgegraben, zur Identifizierung nach Buch bei Berlin überführt, nach Finow mit der 3. Stoßarmee umgezogen, dort begraben und wieder exhumiert, am 17. Mai im Wald begraben, im Sommer nach Rathenow verlegt, an neuem Standort der 3. Stoßarmee wieder eingegraben und acht Monate später in einer Munitionskiste bei Magdeburg untergebracht.

Zuvor hatte der Führer Sachsen-Anhalt nur achtmal besucht, weiß Harald Sandner, der alle Reisen des Führers zwischen 1889 und 1945 akribisch aufgelistet hat: „Hitler – Das Itinerar“. Zweimal habe der Führer den Architekten Paul Schultze-Naumburg auf Burg Saaleck besucht, einige Male sei er auf der Durchreise von oder nach Berlin gewesen, aber im Hotelzimmer geblieben. Aufsehen erregt habe ein Auftritt in Halle 1932. Vor 120.000 Teilnehmern. An seinem 43. Geburtstag. Auf der Pferderennbahn auf den Passendorfer Wiesen. Die KPD wollte nur 35.000 Teilnehmer gesehen haben. Ein typischer Winkelzug des politischen Gegners, um den Kontrahenten schwächer aussehen zu lassen.

Aber was ist nun eigentlich ein Winkelzug? Zunächst einmal ein geschicktes, nicht gleich durchschaubares Vorgehen zur Erreichung eines bestimmten, dem eigenen Interesse dienenden Ziels. Soweit die neutrale Definition. Allerdings haften dem Substantiv gerne auch Adjektive an wie feige, krumm, lügnerisch und demagogisch. Und vom Winkelzug zum Winkeladvokaten ist es dann auch nicht mehr weit. Unter einem Winkeladvokaten versteht man heute gemeinhin einen Rechtsanwalt, der gerne auch mal auf unlautere Methoden zurückgreift.

Unlautere Methoden und Winkelzüge. Und deren bedienten sich zum Beispiel die Engländer gerne, um Deutschland in den Krieg zu zwingen.

So beklagte Chamberlain am 24. August im Unterhaus, dass die Reichsregierung kompromisslos Danzig fordere, während man doch „in Polen bereit war und allzu bereit ist, die Differenzen mit Deutschland zu diskutieren.“ Dabei hatte es allein im Herbst, Winter und Frühjahr 38/39 etliche Verhandlungsinitiativen von deutscher Seite gegeben. Und zuletzt den 16-Punkte-Plan. Deutsche Kompromisslosigkeit. Und ein Plan voller Fallstricke, wie die Zeit meint. Selbst Botschafter Henderson habe das zunächst nicht durchschaut:

„Danzig sollte ins Reich heimkehren, Gdingen polnisch bleiben. Im Korridor sollte ein Plebiszit über die Zugehörigkeit entscheiden. Abstimmen durften alle Polen und Deutsche, die vor dem 1. Januar 1918 in Westpreußen geboren wurden oder gewohnt hatten. […] Der Ausgang des Plebiszits konnte natürlich nicht zweifelhaft sein; ergo war der Plan für Polen unannehmbar.“

Der Plan – das Alibi für den Krieg, so die Zeit.

Was gibt es sonst noch zur Zeit zu sagen? „Die meiste Zeit verschwenden wir Zeit.“ Mit der Zeit.

Und Polens Kompromissbereitschaft wurde ja bereits hinlänglich in einer anderen Kolumne beschrieben. Nur so viel: Man sabotierte strikt jegliche Verhandlungen bezüglich Danzig. Und noch 18 Stunden vor dem Einmarsch der Wehrmacht ließ der polnische Botschafter Lipski Dahlerus wissen:

„…, daß er in keiner Weise Anlass habe, sich für Noten oder Angebote von deutscher Seite zu interessieren. Er kenne die Lage in Deutschland gut. … er sei davon überzeugt, daß im Fall eines Krieges Unruhen in diesem Land ausbrechen und die polnischen Truppen erfolgreich gegen Berlin marschieren würden.“

Man kann vor Kraft kaum laufen. Nach knapp einem Monat ist Warschau gefallen. Allerdings dürfen die polnischen Offiziere ihre Degen behalten und die Mannschaften können frei nach Hause zurückkehren. Ein Zeichen ritterlicher Achtung.

Vor Kraft kaum laufen können. Eine Redewendung aus der Bodybuilder- und Tuning-Szene. Konsequent tiefergelegt, so „dass jede Fahrbahnunebenheit zur Herausforderung wird“. Oder ein Motor mit brachialem Drehmoment, dem das Getriebe nicht gewachsen ist.

Tiefer gelegt ist auch die Stimme des Führers. Bei Guido Knopp. Die Sportpalast Rede. Vom Februar 33. Hitler – Eine Bilanz. Der Verführer. Im Zeitlupentempo. Mit brachial verlangsamtem diabolischen Drehmoment.

Und noch tiefer gelegt hatte man den Tisch für die Stenographen bei der ersten Reichtagssitzung am 22. März 1933, wie die Vossische Zeitung schreibt:

„Die erste Sitzung des neuen Reichstages, die wenig mehr als eine halbe Stunde währte, war der Konstituierung des Hauses gewidmet. […] Unterm Hakenkreuz ist der Hochsitz des Präsidenten. Neben ihm rechts und links können die Schriftführer sitzen. Vor dem Präsidenten, ein paar Stufen tiefer, ist die Tribüne für den Redner davor, noch tiefer gelegt der Tisch der Stenographen.“

Und tiefergelegt werden sollte auch ein Großteil der militärischen Infrastruktur des Reiches. Das Mittelwerk. Die vielleicht größte unterirdische Fabrik. Geplant war der Ausbau der unterirdischen Fläche von rund 100.000 auf 1,5 Millionen Quadratmeter. Binnen acht Monaten. Wernher von Braun träumte von einem 60 Kilometer langen Stollen unter Nordthüringen.

Heute liegen tonnenweise rostige Raketenteile, Leitflügel, Tanks und Kompassgehäuse in den kilometerlangen, haushohen Stollen. Im Kohnstein, in Thüringen. Aber das von Albert Speer verheißene Rüstungswunder sei niemals eine funktionierende Waffenschmiede, sondern nur ein desorganisierter Haufen gewesen. Sagt Jens-Christian Wagner, Leiter der Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Das Rüstungswunder – ein Beispiel konfuser Misswirtschaft. Die angepeilte Stückzahl von 900 V2-Raketen pro Monat sei nicht annähernd erreicht worden. 6000 V2-Raketen seien insgesamt montiert worden, wovon beinahe die Hälfte defekt gewesen sei. So der Experte.

Die Nazis. Alles konfus, alles Schrott. Und doch waren die Alliierten, allen voran die Amerikaner, an diesem Schrott und den Blaupausen mehr als interessiert. Freilich hielt man sich, was den größten Patentklau der Geschichte angeht, sehr bedeckt. Overcast.

Die alliierte Aufklärung hätte alles, sogar die Belüftungsschächte, metergenau kartiert und keine einzige Bombe dort abgeworfen:

„Es schien ihnen aussichtslos, mit damaligen Sprengwaffen durch das betonharte Anhydridgestein zu dringen. Sie bombardierten lieber die Transportwege des Mittelwerks.“

Und noch lieber deutsche Städte und Zivilisten. Und man grillte auch gern.

Und nach dem Krieg sei der V2-Mythos eifrig gepflegt worden. Zum Beispiel von Walter Dornberger. „V 2 – der Schuss ins Weltall“. Und das sei wohl auch ein Grund dafür, so Jens-Christian Wagner, dass sich die Hälfte der Kohnstein-Besucher gar nicht für die Gedenkstätte, sondern primär für die Technik interessiere. Auch wenn man das Ganze bewusst bedeutungsmäßig tiefergelegt und auf ein Raketenmuseum verzichtet habe.

Tiefergelegt wurde nach 45 auch das deutsche Volk. Moralisch tiefergelegt. Mit einem Generationen übergreifenden Schuldkomplex:

„[Die] deutschen Kulturdenkmäler [lagen] in Trümmern und was architektonisch in den großen Städten, allen voran Berlin, noch an intakter Bausubstanz übrig war und nicht dem 8. US-Bomberkommando oder den Armeen Marschall Schukows zum Opfer fiel, wurde dann in den Jahrzehnten danach in Ost und West mutwillig zerstört.

Staunenswert war immerhin die Willfährigkeit der Selbstdemütigung, mit der eine von den Alliierten verordnete ‚Re-Education‘ von den Besiegten demütig angenommen wurde und die bis auf den heutigen Tag nichts davon wissen will, wie sehr der Untergang des Dritten Reiches auch der des Landes selbst war.

Es ist sicher kein Zufall, daß mit dem Verlust der Diskretion im Umgang der Deutschen mit sich selbst und der eigenen Geschichte auch die Häufigkeit seelischer Erkrankungen wuchs, mit denen nicht selten ein geistiger Plebejisierungsprozess einhergeht.“

Und nach spätestens drei Klicks ist man schon wieder beim Führer. Godwins Gesetz. Wobei das Deutsche Reich ja bekanntlich gar nicht untergegangen ist.

Tiefergelegt durch das Plattmachen zweier Reifen und „komplett zugesprüht“ mit der Aufschrift „Nazi“ wurde auch der Opel von Stefan Wollenschläger. Aus Weinheim. 2005. Und im Innenraum wurde Benzin ausgebracht, „damit es auch schön stinkt.“ Nun könne Herr Wollenschläger sein einfallsreiches Nummernschild „HD-AH 3345“ erstmal an sein Fahrrad schrauben. Was die Jungs von der Opelgang sehr freut.

Und was sagt General Jodl?

„Das Entscheidende: der Mensch braucht eine Freude, die kann ihm niemand nehmen; welcher Art diese Freude ist, das läßt sich nicht reglementieren. Die Grenze ist da gezogen, wo die Freude der Allgemeinheit Schaden stiftet.“

Und was sagt der Führer?

„Ich finde, daß bei uns die größte Zeit verlorengeht mit der Feststellung des Schadens!“

Und:

„Bei einem Landesverräter, da kann es nicht darauf ankommen, wie groß der Schaden zu sein vermag. Es gibt gewisse Gesinnungsverbrechen, damit scheidet ein Mensch aus der Volksgemeinschaft aus. […] Da kann ich hart wie ein Kieselstein sein. Das muß in die ganze Justiz hineinkommen. Sie muß verstehen, im Volkssinn zu handeln.

Einer hat einen Hasen geschossen, der hat drei Jahre Gefängnis bekommen. Ich hätte den Mann genommen und in eine Wildschützenkompanie der SS geschickt. Ich bin nicht ein tiefer Verehrer der Wildschützen, ich lebe vegetarisch, aber ich sehe in ihnen ein romantisches Element der Jägerei. Ich hätte manche Ortsgruppe überhaupt nicht, wenn ich die Wildschützen ausschalten würde. Auf der anderen Seite sehe ich ein, wir wollen den Wald nicht zerstören lassen.“

Und:

„Ich habe nichts dagegen, wenn man das Wild schießt. Ich sage nur, das ist ein trauriger Sport. Das Anständigste bei der Jagd ist das Wild, das Zweitanständigste der Wilderer: der setzt wenigstens sein Leben ein.“

Und Victor und Victoria Trimondi seien gewissermaßen „Wilderer des Reichsheinis“. So Jürgen Elvert. „Hitler, Buddha, Krishna. Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute.“ In okkulten Kreisen werde ernsthaft diskutiert, ob der Führer eine Inkarnation des indischen Gottes Vishnu sei. Oder ein Besessenheitsmedium tibetanischer Lamas.

Als Kronzeugen der unheiligen Allianz werden etwa 50 Personen aufgerufen. Darunter der okkulten Dingen gegenüber aufgeschlossene Heinrich Himmler, der Indologe Walter Wüst, der Tibetforscher Ernst Schäfer und Karl Maria Willigut. Alle befasst mit der Suche nach den Ursprüngen der germanischen Rasse. Tibet als mögliche Heimat des Urariers. Und Kaschmir als letzte Ruhestätte des Essener Jesus. Dass amerikanische Studenten mit einem Forschungsprojekt beschäftigt sind, das beweisen soll, dass Joseph gar kein Tischler, sondern Bergmann war und bereits vor über 2000 Jahren eingefahren ist, ist freilich nur ein Gerücht:

„Um dem Kreuzestod zu entkommen, hätte es einen ‚ausgeklügelten Plan“ gebraucht, betonen die Archäologen. Man hätte die Soldaten bestechen, womöglich sogar Pilatus einweihen müssen. Immerhin: Pilatus hatte kein echtes Interesse am Tod des Wanderpredigers, er hätte ihn sogar freigelassen, hätte die Volksmenge es gewollt. Auszuschließen ist es nicht, dass er der Menge ein Schauspiel mit der – scheinbaren – Kreuzigung bieten wollte und Jesus trotzdem entkommen ließ. Allerdings wird Pilatus in nichtchristlichen Quellen als brutaler Machtmensch beschrieben.“

Warum also sollte er ausgerechnet Jesus geholfen haben?

Was sagt der Führer?

„Vermutlich wohnten in Galiläa sehr viele Nachkommen römischer Legionäre (Gallier), und zu ihnen gehörte Jesus. […] Jesus kämpfte gegen den verderblichen Materialismus seiner Zeit […].Und nun fälschte Saulus-Paulus in raffinierter Weise die christliche Idee um: Aus der Kampfansage gegen die Vergottung des Geldes […] wurde die tragende Idee der Minderrassigen, der Sklaven, der Unterdrückten, der an Geld und Gut Armen gegen die herrschende Klasse, gegen die Oberrasse, gegen die Unterdrücker! Die Religion des Paulus und das von da an vertretene Christentum war nichts anderes als Kommunismus!“

Theologisch-historisches Halbwissen sei das. So Professor Dr. Manfred – und nicht Meister – Eder aus Osnabrück. Ohne Pumuckl. Der Führer habe bewusst versucht, seine Person gewissermaßen religiös höherzulegen. Mit „einer blamablen Mischung aus theologisch-historischem Halbwissen und grenzenloser Selbstüberschätzung [habe er] die Heilige Schrift regelrecht“ vergewaltigt. Und der Gipfel von des Führers „theologischer Ignoranz sei seine These, dass Jesus als Sohn eines römischen Legionärs gallischer Herkunft an sich Arier gewesen sei.“

Ein Arier mit Wurzeln im Ruhrgebiet. Während jedoch die Rückkehr des Esseners noch ansteht, vermeldet Werner Bräuninger für den Führer „die ewige Wiederkehr“. Der Führer – „zweifellos der heimliche Regent Deutschlands. Seine Machtfülle scheint ausgeprägter und umfassender zu sein“ denn je. Er ist nicht nur wieder da, er kommt auch immer wieder. Nun denn.

Im Übrigen, so Thomas Weber – ein ausgewiesener Hitler-Experte – sei „Mein Kampf“ ja gar nicht des Führers einziges Buch. Er habe Hinweise darauf gefunden, dass der Führer, als er noch nicht Führer hieß, schon ein Buch geschrieben habe. 1923. „Adolf Hitler: Sein Leben und seine Reden“. Unter dem Namen eines Bekannten: Adolf Victor von Koerber. Ein Held des I. Weltkriegs. Ein Scheinautor. Und der sei gar kein Nazi, sondern ein Konservativer gewesen.

Der Führer habe, angeregt durch den Duce, einen Marsch nach Berlin geplant, sei aber über Bayern hinaus kaum bekannt gewesen. Deshalb die Biografie, die in Wirklichkeit eine Autobiografie sei. Und General Ludendorff habe bei der Vermittlung des konservativen Scheinautors geholfen. Die brisanten Unterlagen habe er, Weber, in Johannesburg gefunden. Er sei wie vom Blitz getroffen gewesen, als die Dokumente sich ihm offenbart hätten.

Und auch die Witwe des Verlegers habe die Autorschaft des Führers bestätigt. Und Körber selbst habe geschrieben, dass „das Buch unter Mitwirkung und Kontrolle des Führers geschrieben worden sei“. Das müsse man aber quellenkritisch lesen und schwupps sei man dann beim Führer als Autor. So der Experte. Und außerdem habe der Führer auch in der Biografie, die eigentlich eine Autobiografie ist, sein Erweckungserlebnis erwähnt. Seinen Aufenthalt im Sanitätslager in Pasewalk. Ohne wenn, aber mit aber sei hier der Entschluss Politiker zu werden schon formuliert:

„Ich aber beschloss, Politiker zu werden“.

Die Biografie – ein Winkelzug des Führers, der früh verstanden habe, wie Politik funktioniert. Und der von Anfang an mit bestimmten Narrativen seinen Platz bestimmt habe, um Schritt für Schritt aufzusteigen. Der Führer habe sich, als er noch gar nicht Führer hieß, als Führer in spe in Szene gesetzt und sei zum Nazi geworden. Eine perfide Strategie. So der Führer-Experte.

Und Webers Buch „Wie Hitler zum Nazi wurde“ soll es demnächst auch auf Englisch geben. Mit neuen Erkenntnissen. Die Engländer wird es freuen. Und von der Perfidie zur Hybris sei es – so der verbale Winkelzug Webers – dann auch nicht mehr weit. Der Führer als Reserve-Christus:

„Dieser der ewigen Nacht Geweihte, der sein Gedächtnis durchlitten in dieser Stunde, seelische und körperliche Kreuzigung, erbarmungslosen Kreuzestod bei wachen Sinnen, der Ärmsten einer aus der gewaltigen Schar zerbrochener Helden – dieser wird sehend.“

Der Braunauer genau wie der Essener. Wunderbar. Gut, dass es Experten gibt. Der Führer zieht immer. Am besten mit Winkelzug.

Das zeigt auch der britische Historiker Antony Beevor in seinem Buch „Der Zweite Weltkrieg“. Antony Beevor. Bevor der Historiker, zumal der englische, etwas zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs schreibt, sind ein paar Winkelzüge notwendig. Damit es in den offiziellen Kram passt.

Der Führer habe den „Überfall“ auf Polen minutiös geplant und hätte am liebsten schon früher zugeschlagen. Getrieben vom „Größenwahn, dem Traum von der Vorherrschaft Deutschlands und der Suche nach ‚Lebensraum im Osten‘ für die ‚arische Rasse‘.“ „Ich bin jetzt 50, ich will den Krieg lieber jetzt haben, als wenn ich 55 oder 60 bin“, habe er Anfang 1939 dem rumänischen Außenminister Grigore Gafencu gestanden. Und schon 1938 habe er „seinen Krieg“ gewollt. Doch im Münchner Abkommen seien ihm London und Paris bezüglich des Sudetenlands sehr weit entgegengekommen. Damit sei er am Zuschlagen gehindert worden.

Polen, England und Frankreich hätten auf der Liste seiner Angriffsziele gestanden. Und Amerika, das möglichst großen Abstand zur korrupten und sündhaften Alten Welt habe halten wollen, sei in den Krieg hineingezogen worden. Aber der politische Autodidakt habe nichts von Weltgeschichte verstanden. Nach dem Dreimächtepakt mit Italien und Japan, habe der Führer versucht, auch die Sowjetunion einzubinden. Aber seine politisch-strategischen Winkelzüge seien gescheitert. Und dann habe er Russland überfallen. Und die Welt in die Katastrophe mit 60 Millionen Toten geführt.

Wunderbar. Mit den richtigen Dokumenten und ein bisschen Interpretation lässt sich gut Geschichte schreiben. Getreu nach Eli Wiesel:

„Manche Ereignisse geschehen, sind aber nicht wahr. Andere sind wahr, finden aber nie statt.“

Und manche Dokumente sind echt, aber nicht mehr da. Andere sind plötzlich da, aber das Dokumentierte hat nie stattgefunden.

Und was sagt der Führer? Was soll man mit diesen Geschichtenerzählern anfangen? Es geht mit ihnen, wie mit Krause. Sie sind noch nicht einmal als Diener geeignet:

„Krause hatte einen krankhaften Hang zum Märchenerzählen. Er war nicht geeignet als Diener. Er hat gelogen ohne Not. Ich tue einem ja nichts. Kein Mensch, der nicht einmal etwas vergißt! Ich würde ihm allenfalls sagen: Das nächste Mal denken Sie daran, wenn er etwas hat liegen lassen, aber: Unwahrhaftigkeit kann ich nicht leiden!“

Das Problem: Es gibt zu viele Krauses mit krankhaftem Hang zum Märchenerzählen. Als Diener nicht geeignet. Dafür in höchsten Positionen in Wirtschaft, Politik und Kirche.

Die Bruderschaft hat über Jahrtausende ihr System mit Winkelzügen gepflegt und ihre Pläne vorangetrieben. Ein bankrottes und fragiles System. An sein Ende gekommen:

„Dabei braucht aber nur ein Orkan zu kommen und das Ganze fliegt zusammen wie ein Kartenhaus.“

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