Wir leben in der Ära der “Erzählungen“. Was davon ist echt, was von irgendwelchen Geistern ersonnen?
Eine wohl sinnvolle Herangehensweise an derartige Fragestellungen in diesen Zeiten dürfte die Betrachtung von Wahrscheinlichkeiten sein. Ist es wahrscheinlich, dass das Osterfest der heutigen Prägung seinen Ursprung in der Heilandserzählung hat? Ergibt diese Erzählung Sinn? Oder mag es vielleicht sinnhaltigere Erzählungen über die Ursprünge dieses Frühlingsfestes geben, welche bei nüchterner Betrachtung eine höhere Wahrscheinlichkeit haben?
Stets ist bei allen Erzählungen zu bedenken, dass irgendjemand sie in “die Welt“ gesetzt hat. Und jede Erzählung verfolgt einen Zweck, hat eine Zielgruppe, welche sie bedienen soll. So ist auch die Rubrik “Überlieferungen“ zu betrachten, folglich mag sich jeder über die nachfolgende Erzählung sein eigenes Bild machen.
Ostara – Fest der Morgenröte
Ostern, die Wiederauferstehung Christi nach seinem Märtyrertod am Kreuz – soviel wissen die Meisten über das Osterfest zu sagen, sofern sie danach gefragt werden. In welchem Zusammenhang jedoch Eier, Hasen und Feuer zu Ostern stehen, vermögen nur die Wenigsten zu erklären – sofern sie sich überhaupt jemals die Frage gestellt haben.
Christianisierung
Mit der Erklärung des Christentums zur Staatsreligion im Römischen Imperium begann die Christianisierung der germanischen Stämme Europas. Wer sich weigerte, wurde entweder mit dem Schwert überzeugt oder bis zur Niederwerfung bekriegt [de.wikipedia.org]. Zugleich wurden jedoch auch die “heidnischen“ Kultstätten und besonders die Jahresfeste, wie unter anderem das Jul-Fest zur Wintersonnenwende mitsamt seinen zwölf Rauhnächten, so auch das “heidnische“ Ostara zur Tagundnachtgleiche im Frühjahr, von der Katholischen Kirche für missionarische Zwecke und zur Ausweitung ihres Einflussbereiches übernommen und ihren Zwecken angepasst.
Als das Christentum zu den germanischen und keltischen Stämmen kam, fanden die Missionare dort viele tief verwurzelte Bräuche vor, welche nicht auszurotten waren. Daher versuchte man, die alten Sitten mit neuem Glaubensgut zu erfüllen und umzuwandeln. Mit dem christlichen Osterfest gelang dies sehr gut, denn bei den Germanen und den Kelten gab es bereits ein wunderbares Frühlingsfest um die Tag- und Nachtgleiche.
Sieg des Lichtes
Derartige Jahresfeste wurden von den “Heiden“ lange vor dem Entstehen des Christentums gefeiert. Für unsere ausgesprochen naturverbundenen Ahnen gebar das Frühjahr, diese Zeit des Sieges des Lichts über die Dunkelheit, auch das Wiedererwachen der Lebensfreude, was sich in vielerlei Fruchtbarkeitsbezügen widerspiegelt. Die Katholische Kirche vermochte diese nicht aus dem Ur-Grund der Mythen und des Naturglaubens zu entfernen – die Bindung unserer Ahnen war dafür schlichtweg zu stark.
Zur Bekehrung der unbeugsamen “Heiden“ wurden folglich einfach über mehrere Generationen hinweg die Termine überlagert und das der Fruchtbarkeitsgöttin und Lebenschenkerin Ostara gewidmete Frühjahrsfest, wurde zur eigenen Agenda passend umgedeutet und der Erzählung um die Kreuzigung des christlichen Heilands angepasst.
Dennoch haben sich viele sehr alte “heidnische“ Bräuche bis in die heutige Zeit erhalten:
Ostara
Die Osterzeit lässt sich als “Fest der Morgenröte“, sichtbar werdende Fruchtbarkeit, Wiederauferstehung der Natur aus dem Winterschlaf, als Tagundnachtgleiche begreifen.
Beda (735) vermutete, dass der altenglische Name Eosturmonath für April auf eine Göttin zurückzuführen sei, bei Eginhart (770 – 840) findet sich ein Ostermonath. Jakob Grimm leitete aus dem Monatsnamen Ostarun die Göttin Ostara ab, welche sich aber nicht direkt nachweisen lässt.
Richtig ist aber, dass diese Göttin bei Betrachtung des indoeuropäischen Kontextes sehr gut belegt ist, denn sie lässt sich unter verschiedenen Namensbezeichnungen nachweisen (ags. Eystre, ags. Eastro = Ostern, altsächs. Eostre-Eostreus, adh. Ostarmânoth, germ. Oestras, ir. Tata, altind. Usra-ushas, lit. Auzra, phön. Astarte, lat. Aurora = Morgenröte, griech. Eos = Osten, an. Austr. Gemr. Austra = Osten). Noch 1750 werden die Externsteine “Eostrae Rupes“ (Ostaras Felsen) genannt.
Die Christen legten das Osterfest erst im Jahre 325 [Erstes Konzil von Nicäa [de.wikipedia.org]] auf den Sonntag nach dem ersten Vollmond, der der Tagundnachtgleiche folgt, also in eine abnehmende Mondphase. Wie widersinnig, wie weit entfernt von natürlichen Zusammenhängen! Im Jahresrad steht das Fest eher bei zunehmendem Mond in der Zeit um die Tagundnachtgleiche.
Ei
Das Ei ist das Ursymbol für Fruchtbarkeit, Urzelle allen Seins, aber auch für die ewige Frage, woher dieses fruchtbare Leben kommt (Henne oder Ei?). Seine typische Form, ohne Anfang und Ende, hält etwas Geheimnisvolles verborgen und beschützt das zerbrechliche Leben, bis dieses sich aus dem Dunkel heraus ans Licht bricht, ähnlich den Pflanzentrieben aus der harten Scholle.
Die kanaanitische Göttin Astarte wurde am 17. März mit rot gefärbten Eiern geehrt, um das Verschmelzen von weiblichem und männlichem Prinzip zu feiern. Die Maori heiligen Dinge durch Rotfärben, die rote Farbe nennen sie Menstruationsblut (nach: Briffault). Da es als Symbol aus dem heidnischen Leben wohl nicht zu verdammen war, wurde es von der christlichen Kirche im 12. Jahrhundert in die Liturgie aufgenommen als “Benedictia ovorum – Segnung der Eier“. […]
Hase
Der Hase wird als Tier in allen europäischen Traditionen mit Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht, ist doch der März seine “Rammelzeit“. Er war das heilige Tier der Liebesgöttin Aphrodite. Im Jahr 751 verbot Papst Zacharias den Verzehr von Hasenfleisch, weil es wohl eine Gefahr für christliche Keuschheit darstellte.
Aprilis, römische Göttin von Liebe und Tod, ist Namensgeberin des Monats April und eng verwandt mit lat. Aperire, das “öffnen“ bedeutet. Das Banner der keltischen Königin Boudicca trug das Zeichen des Mondhasen.
[Aus: OSTARA – ZEREMONIEN UND BRAUCHTUM ZU FASNACHT, OSTERN UND HOHE MAIEN]
Auf dem Kirchentag zu Regensburg des Jahres 742 wurden auch die “heidnischen“ Osterfeuer offiziell verboten. Dennoch haben sie sich bis in die heutige Zeit erhalten und werden traditionell an Ostern entzündet. Auch andere Bräuche, wie die überregional bekannten Feuerräder von Lügde [osterraederlauf.de] oder auch das Biikebrennen [de.wikipedia.org] an der friesischen Küste, werden weiterhin noch aktiv gelebt – wenn auch der ursprüngliche Hintergrund und Sinn den Wenigsten heute noch bekannt ist.
Ostara stellt einen der wichtigsten Zeitpunkte im Jahreskreis dar und hat zudem direkte Anbindung zu übergeordneten und natürlichen Kreisläufen der Schöpfung. Der Lenz ist da, die Schwalben kommen wieder, das Licht überwiegt die Dunkelheit, und einhergehend mit dem Licht kommt stets Erkenntnis.
Seid aufrecht und bleibt standhaft!
Alles läuft nach Plan…
Der Nachtwächter
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