Der Krieg gegen das Bargeld: Offiziell sanktionierter Diebstahl

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Ein Beitrag vom Nachtwächter am 16.06.2015


Von Charles Hugh Smith

Charles Hugh SmithSie haben vermutlich schon gelesen, dass an diversen Fronten auf der ganzen Welt ein “Krieg gegen das Bargeld“ angeheizt wird. Aber was genau bedeutet eigentlich “Krieg gegen Bargeld“?

Es bedeutet, dass Regierungen die Nutzung von Bargeld einschränken und eine Anzahl offizieller ökonomischer Sprachrohre die vollständige Abschaffung von Bargeld fordern. Die Obrigkeit schränkt die Menge an Bargeld ein, die man von den Banken abheben kann und sie schränkt den Kauf mittels Bargeld ein. Diese Beschränkungen werden allgemein Kapital-Verkehrskontrollen genannt.

Krieg gegen Bargeld: Warum jetzt?

Warum tun Regierungen plötzlich so, als wenn Bargeld etwas schlechtes ist, das streng limitiert oder ausgelöscht gehört? Bevor wir dazu kommen, lassen Sie uns zwischen Bargeld – also Banknoten und Münzen in Ihrem Besitz – und digitalen Guthaben bei der Bank unterscheiden.

Der Unterschied ist augenscheinlich: Bargeld kann nicht per “Bail-In“ (also offiziell sanktioniertem Diebstahl) eingezogen werden, bei dem die Regierung oder die Bank einen Prozentsatz des bei der Bank hinterlegten Geldes zwangsenteignen kann.

Bargeld in der Hand kann nicht einfach von Negativzinsen oder Gebühren aufgefressen werden, wie ein Bankguthaben. Ein Bankguthaben kann allerdings im Fall einer finanziellen Notlage der Bank nicht abgehoben werden – das nennt sich dann Bank Holiday [Bankfeiertag – die Bank öffnet schlicht nicht].

Ist Bargeld wirklich obsolet?

Wenn Experten sagen, dass Bargeld “obsolet“ [= überholt, veraltet] ist, dann meinen sie physisches Papiergeld und Münzen, nicht die Guthaben bei der Bank. Bankguthaben sind für die Regierung und ihre bestens bezahlten Ja-Sager (wie Kenneth Rogoff und Willem Buiter) vollkommen in Ordnung, denn dieses Geld kann entweder durch “Bail-Ins“ oder durch Negativzinsen enteignet werden.

Herr Buiter meinte beispielsweise kürzlich, dass die Probleme 2008-2009 (während der globalen Finanzkrise) hätten vermieden werden können, wenn Banken nur 6 % Negativzinsen auf Bankguthaben berechnet hätten: faktisch somit also 6 % des Geldes der Einleger weggenommen hätten, um alle dazu zu zwingen das was sie an Geld haben auch auszugeben.

Die bevorzugte Enteignungsmethode

Sowohl Bargeld als auch Bankguthaben sind von einer bevorzugten Methode der Enteignung betroffen: Inflation. Inflation, das am meisten wertgeschätzte Ziel einer jeden Zentralbank, raubt die Kaufkraft gleichermaßen von Bargeld und digitalem Geld. Inflation bestraft Sparer und begünstigt Schuldner, da es billiger wird, die Schulden zu bedienen.

Der vorteilhafte Effekt der Inflation auf Schulden ist schon seit Jahrzehnten im Spiel. Das kann also nicht die Ursache für das jüngste Interesse der Regierungen an der Abschaffung von Bargeld sein. Kommen wir also jetzt auf die Frage zurück:

Warum erklären Regierungen plötzlich dem Bargeld – der ältesten offiziell herausgegebenen Form des Geldes – den Krieg?

Der erste Grund: physisches Bargeld birgt die Möglichkeit, sich sowohl Steuern als auch dem offiziell sanktionierten Diebstahl über Bail-Ins und Negativzinsen zu entziehen. Kurz gesagt, für Regierungen ist es extrem schwierig, Bargeld zu stehlen.

Einige von Ihnen mögen das Wort “Diebstahl“ womöglich barsch oder gar anstößig finden. Wir müssen aber unterscheiden zwischen

  • Steuern – die für staatliche Programme erhoben werden, die im Prinzip allen Bürgern zugute kommen – und
  • Bail-Ins – also der Entnahme von Bankeinlagen für den Bail-Out von Banken, die durch die Aktionen des Managements der jeweiligen Bank zahlungsunfähig wurden.

Bail-Ins sind Diebstahl, schlicht und einfach. Da die Regierung diese Entnahme in Kraft setzt, ist es zwar offiziell sanktionierter Diebstahl, aber trotzdem ist es Diebstahl.

Nullzins-Politik

Negativzinsen sind eine andere Art des offiziell sanktionierten Diebstahls. In einer Welt ohne die finanzielle Unterdrückung durch ZIRP (die von den Zentralbanken heiß geliebte “Zero Interest Rate Policy“ [Nullzins-Politik]), würden Kreditgeber Kreditnehmern genügend Zinsen berechnen, um den Kreditgeber für die Benutzung seines Geldes zu bezahlen und ihm einen Profit zu ermöglichen. Wenn die Kreditnehmer jedoch Zinsen zahlen müssen, dann sind Negativzinsen Diebstahl, schlicht und einfach.

Warum sind Regierungen plötzlich so wild darauf, Bargeld zu verbieten? Die Antwort scheint zu sein, dass die Banken und Regierungsbehörden erwarten, dass es zu Bail-Ins kommen wird, es erhebliche Negativzinsen und deftige Gebühren auf Bargeld geben wird und sie wollen Einlegern jede Flucht-Möglichkeit vor dieser Art offiziell sanktionieren Diebstahls verhindern. Eine Möglichkeit, den Bail-Ins und Gebühren auf Bankguthaben zu entkommen, ist Bargeld – daher die plötzliche Aufregung mit Aufrufen zur Eliminierung von Bargeld als Relikt eines vergangenen Zeitalters; einer Zeit, als gewöhnliche Menschen noch einen Weg hatten, ihr Geld vor der Kontrolle der Banker und von Bail-Ins zu schützen.

Geldbesitzer zum Ausgeben oder Zocken zwingen

Negativzinsen (und Gebühren auf Bargeld, welche zugleich eine Strafe für Sparer sind) werfen eine weitere Frage auf: Warum sind Regierungen plötzlich so besessen darauf, Geldbesitzer dazu zu zwingen, ihr Geld entweder auszugeben oder damit in den Finanzmarkt-Kasinos zu zocken?

Die herkömmliche Antwort von Herrn Buiter ist, dass Rezession und der Rückgang der Kreditvergabe daher resultieren, dass Haushalte und Unternehmen Geld horten, anstatt es auszugeben. Die Lösung zum Beenden der Rezession ist demnach, diese ganzen geizigen Geldhorter zum Ausgeben ihres Geldes zu zwingen.

Diese Denkweise hat drei enorme Schwachstellen

Eine ist, davon auszugehen, dass Haushalte und Unternehmen überhaupt Geld horten. In Wahrheit haben die unteren 90 % der Haushalte jetzt ein geringeres Einkommen, als noch vor 15 Jahren, was bedeutet, dass ihre gesunkenen Ausgaben nicht aufgrund von Hortung herrühren, sondern von geschrumpften Einkommen.

Während sich Corparate America in der Herrlichkeit kräftig gestiegener Profite gesonnt hat, florierte das kleinere Unternehmertum nicht in der gleichen Art und Weise. Tatsächlich befindet sich das kleine Unternehmertum, gewissen Maßstäben nach, seit 6 Jahren in einer Rezession.

Die unteren 90 % haben geringere Einkommen und stehen höheren Lebens- haltungskosten gegenüber. Also stehen nur der obersten Schicht der Haushalte überhaupt nennenswerte Geldmittel zur Verfügung. Diese oberste Schicht mag nur wenige sichere Möglichkeiten für die Investition ihrer Ersparnisse erkennen, weshalb sie sich dafür entscheiden, ihre Ersparnisse in Bargeld oder Bankguthaben zu halten, anstatt in einem manipulierten Kasino (wie z.B. dem Aktienmarkt) zu zocken.

Die zweite Schwachstelle ist, dass das Horten von Geld, in einer Ära finanzieller Repressionen und wirtschaftlicher Unsicherheit, die einzige rationale und vernünftige Antwort ist [AdÜ: neben zeitlosen physischen und echten Werten, wie Edelmetallen]. Was die Zentralbanken fordern – nämlich, dass wir jeden Pfennig unserer Ersparnisse besser ausgeben sollen, als sie für Investitionen die wir unter Kontrolle haben oder für Notfälle zu sparen –, widerspricht unseren ureigensten Interessen.

Das bringt uns zur dritten Schwachstelle: Kapital – welches sein Leben als Ersparnisse beginnt – ist der Grundpfeiler des Kapitalismus. Wenn man Ersparnisse als Geißel attackiert, dann greift man den Kapitalismus und die soziale Aufstiegsfähigkeit an, da nur jene die Kapital ansparen, es auch zum Aufbau von Wohlstand investieren können. Indem sie Bargeld angreifen, attackieren Zentralbanken und Regierungen das Kapital und die soziale Aufstiegsfähigkeit.

Jene, die bereits den Großteil der produktiven Wertanlagen besitzen, sind in der Lage im Grunde unbegrenzte Summen zu annähernd null Prozent Zinsen zu leihen, die sie für den Kauf von noch mehr produktiven Wertanlagen einsetzen können, während alle anderen – die unteren 99,5 % – zur Konsumenten-Knechtschaft reduziert werden. Wenn man nicht dafür da ist, produktives Kapital zusammenzuraffen, dann ist man dafür da, jeden Pfennig den man verdient für Zinsen, Güter und Dienstleistungen auszugeben.

Diese Umkehrung des Kapitalismus verdammt eine Volkswirtschaft zu all den Missständen, die wir heute im Überfluss erleben: zunehmend ungleiche Verteilung der Einkommen, geringere Chancen für unternehmerische Initiative, steigende Schulden-Belastungen und eine kurzfristige Perspektive, die die notwendige langfristige Planung zum Aufbau von nachhaltiger Produktivität und Wohlstand aufhebt.

Physisches Bargeld: Nur $ 1,36 Billonen Dollar

Nach Angaben der Federal Reserve beläuft sich die Gesamtsumme an physischem Bargeld auf $ 1,36 Billionen Dollar. Davon ausgehend, dass eine maßgebliche Menge dieses Bargeldes in Übersee gehalten wird, stellt physisches Bargeld nur einen winzigen Teil der nationalen Wirtschaft und der gesamten Vermögen der Nation dar. Für den Kontext: die US-Wirtschaft beläuft sich auf $ 17,5 Billionen Dollar, die gesamten finanziellen Werte der Haushalte und Nonprofit-Organisationen auf $ 68 Billionen, die Geldbasis liegt bei etwa $ 4 Billionen und die gesamte Geldmenge (umlaufende Währung und Sichteinlagen) beläuft sich auf über $ 10 Billionen Dollar (Quelle).

Angesichts der relativ bescheidenen Menge an physischem Bargeld klingen Behauptungen, dass deren Abschaffung die Wirtschaft ankurbeln, ausgesprochen hohl. Folgt man dem Prinzip ‚Cui Bono?‘ – wer profitiert? – sollten wir die Frage stellen: Welche Vorteile hat die Abschaffung von Bargeld für Banken und Regierungen?

Vorteile der Abschaffung von Bargeld für die Banken und Regierungen

Die Vorteile der Abschaffung von Bargeld für Banken und Regierungen sind selbsterklärend:

  • Jede finanzielle Transaktion kann besteuert werden
  • Jede finanzielle Transaktion kann mit Gebühren belegt werden
  • Bank-Runs sind ausgeschlossen

In einem Mindestreserve-Bankwesen wie dem unseren, brauchen Banken nur einen Bruchteil ihrer Aktiva in bar halten. So kann eine Bank nur 1 % seiner Werte in bar vorhalten. Wenn Kunden befürchten, dass die Bank zahlungsunfähig werden könnte, stehen sie vor der Bank Schlange und fordern ihre Einlagen in physischem Bargeld. Der Bank geht schnell das Geld aus und sie macht die Türen zu, was zu weiterer Panik führt.

Nachdem die große Depression den Zusammenbruch von hunderten Banken zur Folge hatte, fing die Bundesregierung an Bankeinlagen abzusichern und diese Garantie schränkte die Bank-Runs ein, da Einleger nicht länger die Schließung einer Bank befürchten mussten, was den Verlust ihrer Geldeinlage bedeutet hätte.

Da Menschen jedoch möglicherweise eine Störung bei der Finanzmacht spüren und sich entscheiden könnten, als Vorsichtsmaßnahme digitales Geld in physisches Geld zu tauschen, beseitigt die Abschaffung physischen Geldes auch die Möglichkeit von Bank-Runs, da es dann keine Form des Geldes mehr gibt, das nicht von den Banken kontrolliert wird.

Während die Vorteile der Abschaffung von Bargeld für Banken und Regierungen offensichtlich sind, gibt es für die Realwirtschaft und die Belastbarkeit der Haushalte nur Nachteile.

>>> zum englischsprachigen Original-Beitrag


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