Von Xantens Kolumne – Mit freundlichen Grüßen

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Von Siegfried von Xanten

Ein Gruß ist eine formalisierte oder ritualisierte Geste oder Floskel. Zum Einleiten oder Beenden eines Kontaktes. Es gibt sogar einen Grüßaugust. In Berlin. Und bei der Feuerwehr grüßt man etwa „Gut Schlauch!, Gut Wehr!, Gut Heil!“. Und als Ballonfahrer „Glück ab, gut Land!“. Und als Turner „Gut Heil!“. Und als Fotograf „Gut Licht!“.

Nicht gut war es um das Licht in Goethes letzten Stunden bestellt. Ein regelrechter Meinungsstreit ist um das Licht entbrannt. Goethe war Frankfurter. Was hat Goethe auf dem Sterbebett gesagt? „Mehr Licht“? Ein philosophischer Fingerzeig? Oder die Aufforderung an den Diener, die Fensterläden zu öffnen?

Oder sagte er: „Mer liecht hier so unbequem“? „Die lichtvolle Überlieferung“ geht auf den Goethe-Verehrer Coudray zurück. Allerdings erst im zweiten Anlauf. Zunächst hatte Coudray in seinen Aufzeichnungen eine Frage des Dichters an seinen Diener notiert. „Du hast mir doch keinen Zucker in den Wein getan?“

Mehr Licht in die Angelegenheit brachte Goethes Lakai Friedrich Krause. Goethe lag gar nicht schlecht und es waren auch nicht die Fensterläden, die Krause öffnen sollte. Es war der Botschanper, den das Dichter-Genie verlangte. Und den hielt er „so fest an sich, bis er verschied.“ Botschanper. Die Verballhornung von pot de chambre. Auf Deutsch Nachttopf.

Die letzten Worte. Das Totenbett. Der Ort für die Entstehung von Mythen.

So reicht es bei Atli, dem Bruder von Gretti, aus der gleichnamigen isländischen Saga, noch zu einem Apercu, als er sich tödlich getroffen, den Speer aus der Brust zieht: „Naja, jetzt sind die breiten Speere in Mode.“

Und Heinrich Heine verabschiedete sich mit den Worten: „Gott wird mir verzeihen – das ist sein Geschäft.“ Denis Diderot, der französische Aufklärer, hatte es dagegen weniger mit diesem Geschäft noch mit Gott und soll vor seinem letzten Atemzug Gott die Tür gewiesen haben: „Der erste Schritt zur Philosophie ist die Ungläubigkeit.“

Weniger ungläubig als leicht deprimiert soll Cecil Rhodes, Freimaurer und Erzkolonialist, ante mortem konstatiert haben: „So wenig getan, so viel zu tun.“ Und Oscar Wilde hatte mehr gelebt, als seine Verhältnisse hergaben und ließ sich auch beim Sterben nicht von dieser Unverhältnismäßigkeit abbringen: „Ich sterbe, wie ich gelebt habe – über meine Verhältnisse“.

Alles „dummes Zeug“. Meint allerdings Literatur-Detektiv Karl S. Guthke über die prämortale Kaltschnäuzigkeit der Berühmtheiten dieser Welt. Das Nachtgeschirr war dem ein oder anderen näher als ein Apercu.

Mit einem Silberfuchsmantel anstelle eines Apercus verabschiedete sich Eva Braun von Traudl Junge: „Grüßen Sie mir München, und nehmen Sie meinen Silberfuchsmantel zur Erinnerung. Ich habe immer so gerne gut angezogene Damen um mich gehabt.“ Am 7. August 1946 war die Sekretärin des Führers von einem Mitarbeiter des Counter Intelligence Corps, dem Nachrichtendienst des US-amerikanischen Heeres, befragt worden. Das achtseitige Protokoll wurde zeitnah freigegeben. 64 Jahre später.

Während der Führer mit Eva Braun nach Übersee unterwegs war, kümmerte sich Otto Günsche, sein persönlicher Adjutant, darum, die Leichen der beiden im Führerbunker zu verbrennen: „Ich habe den Chef und Eva verbrannt“. Die Asche des Chefs sei „in eine Schachtel gefüllt und vom Leiter der Hitlerjugend, Artur Axmann, aus dem Bunker gebracht worden.“ Ein weibliches Schädel- und ein Gebissfragment des Chefs gelangten dann bekanntlich nach Moskau und wurden von französischen Wissenschaftlern für echt befunden.

Bereits am 3. Mai hatte in Abwesenheit des Führers Iwan Klimenko, Chef der Smersch, der Spionageabwehr vom 79. sowjetischen Schützenkorps vor dem Führerbunker die stark verkohlten Leichen des Führers und Eva Brauns ausgraben lassen. Nachdem Arthur Axmann die Asche Adolf Hitlers in einer Schachtel aus dem Führerbunker gebracht hatte.

Und 1970 stellten ein paar Sowjetsoldaten auf dem Grundstück Klausenerstraße 36 in Magdeburg neben der Garage ein Zelt auf:

„In der Nacht vom 4. auf den 5. April stiegen fünf KGB-Offiziere in das Zelt und gruben die Erde auf. Sie fanden fünf kreuzweise übereinandergestellte Kisten, luden sie auf einen Lkw und fuhren befehlsgemäß zum nächsten Übungsgelände ihrer Pionier- und Panzertruppen. Da sie nur eine halbe Stunde unterwegs waren, dürften sie zum Biederitzer Busch gelangt sein, hinter den Kasernen in Magdeburg-Herrenkrug. Dort verbrannten sie die fast verrotteten Kisten samt ihrem Inhalt: morschen Knochen.“

Es waren einmal mehr die Überreste von Eva und Adolf Hitler. „Operation Mythos“. Die sterblichen Überreste des Führers. Im Mai 1945 nach seiner Abreise verbrannt, dann geborgen, noch einmal geborgen, obduziert, vergraben, dann wieder exhumiert und nachuntersucht und später verbrannt. Bis auf die nach Moskau verbrachten weiblichen Fragmente von Schädel und Gebiss.

Und was sagt der Führer? Es braucht nicht unbedingt Fleisch, um zu Knochen zu kommen. „Als ich jung gewesen bin, haben die Ärzte gesagt, der Mensch muß Fleisch essen, weil er sonst keine Knochen bekommt. Das war falsch!“ Der Führer ist Vegetarier. Und Knochen gab es reichlich – haunebüchen.

„Während sich die Amerikaner mit Hitlers Chauffeur Erich Kempka, der Fliegerin Hanna Reitsch, dem Reichsjugendführer Artur Axmann und Hitlers Zahnarzt Hugo Blaschke begnügen mußten, waren die wichtigeren Zeugen in sowjetische Gefangenschaft geraten: Hitlers Leibwächter Johann Rattenhuber, SS-Adjutant Otto Günsche, Kammerdiener Heinz Linge, Chefpilot Hans Baur und Blaschke-Assistentin Katharina Heusermann.“

Die wichtigeren Zeugen? Unglücklicherweise hatten sich die Amerikaner den Zahnarzt des Führers gesichert. Und das Gebiss? Grüßt fragmentarisch aus Moskau.

Nicht fragmentarisch, sondern dekadent wurde der Führer in Neapel gegrüßt:

„Das ist zum Teil unerträglich verlogen, falsch. Das schlimmste habe ich im Hofstaat in Neapel erlebt. Dieser Galgenvogel, den sie mir als Aufpasser hingestellt haben, ein widerwärtiger Dreckfink! Das sind zwei Welten. Von den Faschisten werden sie als die Hummer bezeichnet, weil sie in den roten Fräcken da herumlaufen. Begrüßt wurde ich am Bahnhof vom Herzog von Pistoja, absolut dekadent, ein richtiges Würstchen, der nächste, auch ein Herzog, ebenso. Der eine Admiral, eine richtige Hofkröte, verlogen, falsch.“

Sagt der Führer.

Dass grüßen nicht nur dekadent, sondern auch teuer sein kann, musste ein Schäferhundmischling aus Berlin erfahren:

„Am Ende ging es Adolf und seinem Herrchen an den Kragen. Immer wenn der Schäferhundmischling das Kommando „Adolf, zeig den Gruß“ vernahm, hob er die rechte Pfote. Nachdem ein Verfahren gegen das gleiche Dressurstück 2003 noch eingestellt worden war, kannte das Berliner Gericht 2007 keine Gnade mehr. Der als Rechtsextremist bekannte Besitzer wurde zu einer fünfmonatigen Haftstrafe verurteilt, sein Hund landete im Tierheim und verlor darüber auch seinen Namen.“

Seinen Namen verlor ein schottischer Mops nicht, aber der Freund seines weiblichen Herrchens wurde zu 800 Pfund Strafe vergattert, weil er dem Mops den deutschen Gruß beigebracht hatte. Volksverhetzung. Auf „Sieg Heil“ antwortete der Verbeiner mit dem Führergruß. Mark Meechan, der Freund des weiblichen Herrchens, hatte ein Video ins Weltnetz gestellt:

„Das Video ging viral und wurde über drei Millionen Mal aufgerufen. Nachdem sich viele Nutzer über das ‚antisemitische und rassistische‘ Video beklagt hatten, wurde der Mann festgenommen.“

Ein Schicksal, das dem Hund erspart blieb. Er heißt Buddha. Ob er in sich selbst ruht, ist nicht bekannt.

„Die Grenzen der Dressurfreiheit sind also einigermaßen klar.“ Aber wie steht es mit der Kunstfreiheit? Bekommt man den Gruß in der Kunst umsonst? Der Künstler Jonathan Meese hatte zum Thema „Größenwahn in der Kunst“ referiert. Jonathan Meese postuliert eine „Diktatur der Kunst“. Was er mit dem Führergruß unterstrich. Bei den Mannheimer Schillertagen. Das Kunstfreiheitsgebot.

Inwieweit Artikel 5 des Grundgesetzes die Paragraphen 86a und 130 neutralisiert, war vor Gericht zu klären. Jonathan Meese habe sich, so teilte die Staatsanwaltschaft schließlich mit, innerhalb der Grenzen der Kunstfreiheit bewegt und legte den Fall zu den Akten.

Nicht nur den Führergruß, sondern auch den Führerbart, mit zwei Fingern angedeutet, soll eine Fahrerin in Berlin gezeigt haben, als eine in einen Tschador gehüllte Frau den Bus der Linie M21 bestieg. Allerdings außerhalb der Kunst. „Bevor die alarmierte Polizei eintraf, setzte die Busfahrerin die Fahrt fort. Die Ermittlungen wegen Volksverhetzung dauern an.“

Obwohl der Führergruß nicht ganz billig ist, ist er gerade auch bei Ausländern beliebt. Ein Kanadier hatte für ein Foto mit Hitlergruß posiert. Und musste dafür 150 Euro zahlen:

„Der kanadische Spaßvogel musste zur Befragung durch die Kriminalpolizei mit auf die Wache. Die Speicherkarte aus der Fotokamera wurde beschlagnahmt. Der Staatsschutz wurde ebenfalls hinzugezogen“.

Die Polizei bestätigte, dass der deutsche Gruß gerade bei ausländischen Touristen sehr beliebt sei:

„Seine Begleiterin wird bei einem möglichen Prozess als Zeugin aussagen müssen. Wahrscheinlicher ist, dass der Mann über ein internationales Rechtshilfeersuchen einen Strafbefehl erhält. Zahlt er die Strafe nicht, bekommt er bei der nächsten Einreise nach Deutschland Probleme.“

Einem 64-jährigen Franzosen war der Gruß sogar 600 Euro wert. Am Frankfurter Flughafen. Als sich die Durchgangstür einer Sicherheitsschleuse nicht schnell genug öffnete, warf er sich dagegen und zeigte herbeieilenden Bundespolizisten den Führergruß.

200 Euro mehr musste ein 45-jähriger Familienvater aus Limeshain zahlen. Kam dabei aber, relativ gesehen, billiger weg, da er den Gruß gleich mehrfach entboten hatte. Und das, obwohl er auch noch gebrüllt habe: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“ Und das ebenfalls mehrmals. Mehrfach soll er sich auch noch „darüber beklagt haben, dass die Asylanten in Lindheim bessere Wohnungen und einen höheren Lebensunterhalt geboten bekämen als beispielsweise er selbst.“

Zwei Chinesen, 36 und 49 Jahre alt, ließen sich den deutschen Gruß in Berlin-Mitte jeweils 500 Euro kosten. Immerhin hatten sie sich auch noch gegenseitig grüßend fotografiert. Vor dem Reichstag. „Gegen die Urlauber wurden Strafverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet.“ Paragraf 86a des Strafgesetzbuches. Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Und Paragraf 130. Volksverhetzung.

Wer den Vogel abschießt, kann allerdings auch mit bis zu drei Jahren freier Unterbringung und Verpflegung belohnt werden.

Juristen und Paragraphen.

„Ich tue alles, um die Juristen so schlecht als möglich zu machen, damit möglichst wenige mehr studieren. Man muß den Beruf derartig kompromittieren, daß er nur von Leuten angestrebt wird, die nichts anderes als Paragraphen kennen wollen. Was sollen juristische Bedenken, wenn etwas volkspolitisch notwendig ist? Nicht dank, sondern trotz der Juristen lebt das Volk. Ich bin ja nicht der erste, der in ihnen eine Bazillenkultur sieht! Friedrich der Große hat nicht anders gedacht.“

Sagt der Führer.

Und auch wenn man den Vogel nicht abschießt, irgendwann ist so ein Vogelleben beendet:

„Man kann es schrecklich finden, wie in der Natur eines das andere verzehrt. Die Fliege wird von der Libelle, diese von einem Vogel, der wieder von einem größeren getötet; das größte ist, wenn es alt wird, die Beute von Bakterien, und endlich erreicht in anderer Art auch diese ihr Schicksal.

Wenn wir Vergrößerungsmöglichkeiten in Millionenstärke hätten, würden wir neue Welten entdecken; alles in der Welt ist so groß, wie es klein ist, je nachdem man es in Zusammenhang mit kleineren oder größeren Dingen sieht. Soviel ist sicher: Ändern kann man das nicht. Auch wenn man sich das Leben nimmt, fällt man als Stoff wie als Geist und als Seele in die Natur zurück. Die Kröte weiß nicht, was sie vorher war, und wir wissen es nicht von uns.“

Sagt der Führer.

Die Kröte weiß vielleicht nicht, was und wo sie vorher war, aber weiß man denn, woher die Nationalsozialisten ihren Gruß hatten?

„Mitte der Zwanzigerjahre heißt es in einem Münchner Polizeibericht, Hitler habe sich von seinen Parteigenossen auf diese Weise grüßen lassen. Das Vorbild wäre demnach der ‚Römische Gruß‘ gewesen, den der italienische Diktator Benito Mussolini kurz davor für seine faschistische Bewegung adaptiert hatte.“

Und das Vorbild dazu auf den Reliefs der Trajanssäule. Von 113 n. Chr. „Saluto Romano“. Eine Fehldeutung. Rudolf Hess sprach dem Duce schon 1928 jegliche Vorbildfunktion ab. Außerdem „versicherten germanophile Vereine, dass schon die alten Germanen die Rechte mit und ohne Speer zum Schwur erhoben hätten.“

Und Heil gab es auch schon immer diesseits der Alpen. Die Landsknechte wünschten sich zum Beispiel „viel guot heil“ und die Turner um Friedrich Ludwig Jahn „Gut Heil“. Und auch die Österreicher wechselten im ersten Weltkrieg vom „Hoch“ zum „Heil“.

Und der Führer? Machte sich zum „Hoch“ seine ganz eigenen Gedanken. Statt das „Warum“ ergründen zu wollen, sollten wir uns auf das „Wenn“ konzentrieren und versuchen der natürlichen Ordnung gerecht zu werden:

„Wir werden allenfalls die Gesetze kennenlernen, nach denen sich das Leben der Naturwesenheiten bestimmt; wenn es hoch kommt, werden wir unserem Dasein das Wissen um das Naturgesetz nutzbar machen können; aber warum das Gesetz waltet, erfahren wir nicht. Das versteht sich von selbst: Unser Standort erlaubt uns nicht, in andere Ebenen hineinzusehen. Dafür hat der Mensch den wunderschönen Begriff von der Allmacht gefunden, deren Walten er verehrt.“

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+++ Band 1 +++ Band 2 +++ Band 3 +++ Band 4 +++ Band 5 +++


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