Am 25. März 2022 berichtete die Agentur Reuters:
“Die russische Zentralbank wird den Goldkauf von Banken wieder aufnehmen und zwischen dem 28. März und dem 30. Juni einen festen Preis von 5.000 Rubel ($ 52) je Gramm zahlen, teilte die Bank am Freitag mit.
Die Zentralbank, welche Goldkäufe von Banken Mitte März einstellte, um der gestiegenen Nachfrage nach Edelmetallen von Haushalten zu begegnen, sagte, die Wiederaufnahme der Käufe würde helfen, eine nachhaltige Versorgung und das ununterbrochene Funktionieren von Goldproduzenten sicherzustellen.“ [engl., reuters.com]
Diese kurze Agenturmeldung veranlasste eine Reihe von Kommentatoren des Finanzgeschehens zu der Annahme, Russland führe nun den Goldstandard für Rubel ein und setze damit sinngemäß den Westen schachmatt. Wenngleich es eine ganze Reihe von Bewegungen gibt, welche den Eindruck erwecken, dass Russland nun seine hochkarätigen Karten ausspielt, lässt sich aus der derzeitigen Gemengelage nur schwerlich herauslesen, dass es nun einen Goldstandard in Russland gibt. Doch dürfen wir zunächst einen Aspekt dieser Meldung etwas genauer betrachten:
5.000 Rubel je Gramm entsprechen 155.500 Rubel je Feinunze (31,1 Gramm) oder umgerechnet derzeit (!) rund 1.800 $ als Festpreis. Der aktuelle Goldpreis im internationalen Handel liegt bei rund 1.924 $, was vordergründig zunächst einmal dafür spricht, dass der Verkauf von Gold an Russland unattraktiv ist.
Doch stellen sich daneben eine ganze Reihe Fragen:
▶️ In welchem Vertragsverhältnis stehen russische Banken eigentlich zu ihrer Zentralbank?
▶️ Warum sollte Russland sich darum scheren, Gold aus dem Ausland zu erhalten, wenn es einerseits deutlich über 2.000 Tonnen Bestand hat und andererseits selbst einer der größten Goldförderer ist?
▶️ Welche Rolle spielen die bekanntermaßen manipulierten Wechselkurse?
▶️ Wie groß ist die Abhängigkeit Russlands von westlichen Waren und Rohstoffen?
▶️ Sind die wirtschaftlichen Verbindungen zu strategischen Partnern wie China ausreichend, um die vollständige Versorgung Russlands sicherzustellen?
▶️ Wie hoch ist die Abhängigkeit Russlands von Importen überhaupt und woher kommen diese?
▶️ Oder einfach ausgedrückt: Wie autark kann Russland sein?
▶️ Und welche Rolle würde irgendein internationaler Wechselkurs für den Rubel in Bezug auf den landesinneren Wert der Währung spielen, sollte Russland unabhängig von ausländischen Anbietern sein oder separate Vereinbarungen mit Ländern außerhalb des westlichen Geldsystems treffen?
▶️ Wäre eine den Bürger treffende Inflation innerhalb Russlands ohne nennenswerte Abhängigkeiten zum Ausland überhaupt möglich?
Und abschließend, für Rechenkünstler:
▶️ Wie hoch wäre der Anteil der Deckung zwischen Gold und Rubel gemessen am Festpreis von 5.000 Rubel im Verhältnis zu Geldmenge und Goldmenge?
Es gibt gewiss noch reichlich weitere sinnvolle Fragen in diesem Zusammenhang, doch belassen wir es für den Moment dabei.
Gedankenspiel
Ein Land hat überwiegend alle erforderlichen Rohstoffe, Produktionseinrichtungen und Mittel zur Selbstversorgung innerhalb der eigenen Grenzen zur Verfügung. Die gängige Tauscheinheit im Inland wird mit Gold gedeckt (in welchem Umfang auch immer) und erfüllt innerhalb des Landes seinen innewohnenden Zweck in der erforderlichen Größenordnung. Die Geldmenge unterliegt somit nur Schwankungen im Rahmen der landesinneren Gegenbewertung. Arbeit ist genug da und Menschen, welche die Arbeit ausführen, ebenfalls. Möglicherweise noch fehlende Rohstoffe oder sonstiger Bedarf werden mit anderen Ländern gegen die Überschüsse der eigenen Produktion getauscht, unter Umgehung des internationalen Finanzmarktes.
Welche Abhängigkeiten hätte ein sehr wehrfähiges Land unter diesen Rahmenbedingungen überhaupt noch?
Betrachtung
Inwiefern die obige Meldung den Schluss zulässt, dass Russland den Goldstandard für den Rubel einführt, sei einmal dahingestellt. Dass sich das Land in der internationalen Komposition westlicher Prägung aus gewissen Abhängigkeiten löst, ist anhand von Meldungen der vergangenen Wochen, Monate und auch Jahre durchaus sichtbar. Ob es nun die jahrelangen Goldkäufe, die Ausgrenzung aus dem SWIFT-System oder die Ausklammerung des Petrodollars bei Geschäften mit beispielsweise China und Indien sind, die Stoßrichtung sollte klar sein.
Und so sollte auch in diesem Teilaspekt des Weltentheaters zur Kenntnis genommen werden, dass maßgebliche Veränderungen bereits inmitten der Umsetzung sind und es eine ganze Reihe von Vergleichbarkeiten zu einem Geschehen gibt, welches gerade einmal ein durchschnittliches Menschenleben her sind.
Es ist gewiss wert, die weitere Entwicklung im Blick zu halten. Denn sollte Russland sich tatsächlich vom Weltfinanzsystem verabschieden, dann dürfte es innerhalb des Landes vollkommen gleichgültig sein, wie der Rubel international in den Märkten bewertet wird. Gegeben hat es das schon mal, allerdings waren die Rahmenbedingungen in einzelnen Bereichen grundweg andere. Ob es diesmal zu einer weltweiten Zäsur und nachfolgend grundsätzlichen Neuausrichtung kommt?
Seid aufrecht und bleibt standhaft!
Alles läuft nach Plan …
Der Nachtwächter
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