„Manchmal ist die eigentliche Geschichte eine andere als behauptet.“
Sagt wer? Juliane Schäuble. Im Tagesspiegel. Wobei das Adverb mehr als diskutabel ist: manchmal. „Wussten Sie schon?“ Was? „Dieses Wort gehört zum Wortschatz des Goethe-Zertifikats B1.“ So wie Journalistin. „Meine Tochter möchte Journalistin werden.“ Was heißt werden?
Seit 2014 leitet sie das Politikressort des Tagesspiegels. Juliane Schäuble. Sie zähle „zu den wichtigsten Politikjournalisten des Landes“, so der Focus. Quasi Brennpunkt-Bordkapelle. Wobei gender-politisch völlig inakzeptabel: Journalist*innen.
Nicht von innen, sondern von außen berichtet Juliane Schäuble seit Juni 2018. Als Auslandskorrespondentin in Washington. Derweil kauft die älteste Schäuble-Tochter, Christine Strobl, als Programmgeschäftsführerin der ARD-Einkaufs- und Produktionstochter Degeto Film Programminhalte für die ARD ein, während ihr Ehemann, Thomas Strobl, stellvertretender Ministerpräsident im Kabinett Kretschmann II ist. Politik und Medien – symbiotisch zusammengefasst in einer Familie.
„Wir haben 19 Lösungen für: Vetternwirtschaft. Top Lösungsvorschläge“: Filz, Filzokratie, Cliquenwirtschaft, Nepotismus, Klüngel.
Und ohne Wirtschaft? Ist der Vetter arm. Bei Ernst Barlach:
„Der arme Vetter […]. „Kein dumpfer norddeutscher Seelenjammer / Von Fräulein Isenbarn, die nicht Frau Siebenmark werden will und von dem armen Vetter, der ein bißchen ein Windhund, aber sonst aus guten Hause ist.“
Was sagt der Führer?
„[V]ollkommen feindlich steht der germanischen Welt dieser Hofklüngel gegenüber. In Florenz hat mir der Duce gesagt: Meine Soldaten sind anständige, brave Leute, meinen Offizieren kann ich nicht vertrauen! Das letzte Mal, wie ich den Duce sprach, klang es noch tragischer.
Ich habe die Erfahrung gemacht – unter anderem bei Pfeffer: Wenn gewisse Leute einmal eine bestimmte Mentalität annehmen, dann geht das in Fleisch und Blut über. Das moralische Ethos, der Idealismus, versackt in einem Zweckidealismus, in dem die Grenze zwischen Idealismus und Egoismus verschwimmt.“
Aber wer oder was ist Pfeffer?
„Franz Pfeffer von Salomon, 1888-1968, Hauptmann, Freikorpsführer, 1925/26 Gauleiter der NSDAP in Westfalen, 1926-1930 Oberster SA-Führer; 1932-1941 MdR.“
Wobei MdR nicht Mitteldeutscher Rundfunk ist.
Gut. Aber häufig ist die eigentliche Geschichte im Allgemeinen eine ganz andere als behauptet. Und im Besonderen hat sie sich ganz anders zugetragen. Und manchmal läuft die Geschichte bzw. die Zeit auch rückwärts. Ein Paralleluniversum.
„Wie unseres, nur andersrum. Das glauben zumindest Forscher, die auf der Antarktis mysteriöse Partikel gefunden haben. Wo es herkommt, soll die Zeit rückwärtslaufen.“
Quasi spiegelverkehrt.
„‘Star Wars‘ im ‚Benjamin Button‘-Style. Das, was immer es auch ist, soll aus Antimaterie bestehen. Ein Stückchen davon, haben Forscher auf ihrer Expedition in der Antarktis gefunden.“
Einfach gesagt:
„So einfach […] liegen die Dinge nicht.“
Hier läuft die Geschichte vorwärts, woanders rückwärts.
„Einige Ereignisse finden statt, sind aber nicht wahr; andere sind wahr, ohne dass sie je geschehen sind.”
So Eli Wiesel, „Zeuge der Menschheit“.
Was soll, was darf, was kann man denn überhaupt noch glauben? Woran glaubt der pragmatische Philosoph?
„An die fünf lebenswichtigen Bausteine in Nutella.“
Ein Fall für die Grammatik: „Heißt es die oder das Nutella?“
„[Der] Fall Andrej Derkatsch. Der ukrainische Abgeordnete, der […] angebliche Telefon-Mitschnitte vorlegte, die den designierten demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden belasten sollen, ist eine gelinde gesagt schillernde Figur. Seine Kontakte zu Rudy Giuliani, dem persönlichen Anwalt von US-Präsident Donald Trump und Strippenzieher in der Ukraine-Affäre, sind da fast noch das harmloseste.“
So Juliane Schäuble.
Derkatsch, Abgeordneter im Kiewer Parlament und bis 2014 Mitglied der prorussischen „Partei der Regionen“ hat auf YouTube Telefon-Mitschnitte veröffentlicht, …:
„… die Gespräche aus den Jahren 2015 und 2016 zwischen dem damaligen US-Vizepräsidenten Biden und Petro Poroschenko, dem Vorgänger des derzeitigen ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj.“
Der Genitiv ist der Frau Schäuble der ihr Feind.
Das Ganze gewürzt mit sollen, angeblich, schillernd, vage und investigativen Journalisten in Anführungsstrichen. Nun sei es aber so, dass Biden selbst im Januar 2018 erklärt habe, …:
„… dass der als korrupt geltende ukrainische Generalstaatsanwalt Viktor Schokin auf seine Anweisung hin gefeuert worden sei.“
Und daraufhin sei dann der zurückgehaltene Kredit über eine Milliarde US-Dollar in die Ukraine geflossen. Quasi Antikorruptions-Bonbon. Mit einem Schleifchen von der EU. Ein alter Hut und längst kein Aufreger. Und doch bedienten sich die Republikaner immer noch dieses abgetragenen Hutes unter dem angeblich ukrainische Wahlkampfhilfe für HRC stecke. Dabei seien es in Wahrheit russische Hacker gewesen, die Emails und Dokumente der Clinton-Wahlkampagne gestohlen und veröffentlicht und dem späteren Präsidenten zugearbeitet hätten. Investigativer Journalismus erster Güte.
Im Akt des Erzählens wird das, was in Wahrheit nicht passen will, passend gemacht. Progressive Narrativität. Gerne auch im Verbund mit kreativer Chronotopologisierung. Geschehnisse werden „in einen mehr oder weniger bewertenden Bezug zu Zeit und Raum gesetzt“ oder erzeugen diesen zeiträumlichen Rahmen überhaupt erst.
Eine Art nachpostmoderner progressiver Universaljournalismus. In Anlehnung an Friedrich Schlegels Idee einer progressiven Universalpoesie. Die Verschmelzung von Dichtung und Wahrheit.
Was sagt der Führer? Journalisten – vorbestrafte Schmuggler und Wilderer mit einem romantischen Komplex:
„Im alten Österreich gab es zwei Berufsgruppen, für die man mit Vorliebe Vorbestrafte wählte: die Zöllner und die Förster. Zu den Zöllnern nahm man Schmuggler, meist solche, die vor der Wahl standen, Zuchthaus zu bekommen oder in den Staatsdienst zu gehen; zu Förstern machte man Wilderer.
Beide, Schmuggler und Wilderer, treibt die Leidenschaft, es liegt ihnen im Blut. Wenn einer so einen romantischen Komplex hat, dann muß man ihm Gelegenheit geben, ihn abzureagieren; der eine hilft sich als Journalist, ein anderer fährt ins Ausland, der dritte bleibt im Lande, gerät dabei aber leicht in Konflikt mit dem Gesetz.“
Ob Prinz Andrew auch einen romantischen Komplex hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls war er wiederholt im Ausland, um sich abzureagieren. Nun ist er namentlich in einem Vierteiler von Netflix mit von der Partie: „Jeffrey Epstein: Filthy Rich“. Ein Zeuge, der gerade dabei gewesen sei, eine Telefonbuchse zu reparieren, habe den Prinzen mit Virginia Roberts am Pool gesehen:
„Sie war jung und hatte kein Oberteil an. Sie waren mit dem Vorspiel beschäftigt. Er packte sie und rieb sich an ihr.“
Bild sprach zuerst mit der Telefonbuchse – „bereits tief gefallen. Doch es könnte noch weiter abwärts gehen“.
Dabei hatte Bodo Ramelow noch gewarnt:
„Warne dringend davor, wildfremde Menschen zu küssen.“
Ansonsten womöglich Erreger.
Ein bisschen erregt dürfte auch eine Stuttgarter Familie gewesen sein, die 1.000 Euro für einen Feiertags-Spaziergang zum Friedhof bezahlen musste. Die Familie, unterwegs in einer Zweier- und in einer Dreiergruppe, rückte etwas zusammen, …:
„Als sich auf ruhiger Waldstrecke ein Streifenwagen näherte […]. Die Beamten hielten prompt an und verdonnerten sie zu einem Bußgeld von insgesamt 1000 Euro (200 Euro Strafe für jeden) wegen Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz.“
Was heißt das?
„Das heißt wir haben jetzt den totalen Ernstfall geprobt. Das heißt wir haben für die nächsten Jahre oder auch für die zweite Welle, wenn sie denn käme oder auch im Herbst kommen könnte – da ist die Gefahr übrigens am größten – haben wir komplett von Krankenhäusern, Notfallkrankenhäusern, Versorgungsplänen, Verlegungsplänen, haben wir jetzt komplett alles in der Tasche. Wir haben den totalen Ernstfall jetzt geprobt.“
Sagt Markus Söder.
Und es gibt ganz neue Erkenntnisse. Zum Beispiel: „Lüften wichtiger als Wischen“. Sagt Christian Drosten. Wobei Legastheniker-Falle.
Allerdings ist ihm nun „so richtig die Hutschnur geplatzt.“ Ein Reporter der Heuschrecken-vereinnahmten Bordkapelle hatte um eine Stellungnahme gebeten. Wegen „Kritik namhafter Wissenschaftler an einer seiner Studien“. Solidarisch mitgeplatzt ist nun die Beziehung zwischen AOK und Heuschrecken-Bordkapelle. „Die ‚Bild‘ stelle kein geeignetes Umfeld für die eigene Imagekampagne dar, teilt die AOK mit.“
Allerdings, so der Chef-Virologe, habe er für so etwas keine Zeit und „Besseres zu tun“. So etwas, das seien „Zitatfetzen von Wissenschaftlern ohne Zusammenhang.“ Und Claudius Ziehr gibt ihm da „grundsätzlich recht. Allerdings nimmt die Kampagne der Bild Ausmasse an, die den Erfolg der Pandemiebekämpfung gefährden.“ Was soll man da sagen? Schon wieder Schutzstaffel-Abbreviatur ohne Sinn und Verstand. Oder heißt es: Recht geben? Beides möglich.
Was sagt der Philosoph?
„Zwei Chancen, ein Tor — das nenne ich hundertprozentige Chancenauswertung.“
Allerdings Kleinschreibung empfohlen. Recht kleingeschrieben.
Quasi Katastrophenfilm, findet Claudius Ziehr:
„Eigentlich kennt doch jeder diese Katastrophenfilme:
Der Vulkan rumpelt – alle Panik
Der Vulkan wieder ruhig
Wissenschaftler sagt, Gefahr noch nicht vorbei – alle lachen
Bürgermeister – aber die Touristen
Und dann beginnt die Haupthandlung des Katastrophenfilms.“
Gibt es denn auch etwas Positives von Claudius Ziehr? Selbstverständlich:
„Mir hat der Stuttgarter #tatort gut gefallen. Schön auch dass man viel von Stuttgart erkannt hat.“
Gut gefällt Kalle Schwensen vom Kiez in Hamburg auch, dass es nun auch Masken mit dem eigenen Gesicht gibt.
„Ich bin Kalle Schwensen, und ich trage Kalle Schwensen. Das ist doch ganz klar.“
Klar.
„Eine kleine Textildruckerei aus Hamburg-Winterhude ist mitten in der Krise auf die Idee gekommen, das kaum noch vorhandene Geschäft mit lebensechten Fotomasken wieder anzukurbeln. Dabei sei die Mundpartie des eigenen Gesichts eigens so aufgedruckt, dass es so aussieht, als habe der Träger gar keine Maske auf.“
Er sei geradezu überrannt worden. So Geschäftsinhaber Dominik Klos. Wunderbar.
Und was ist mit denen, die das eigene Gesicht leid sind? Auch kein Problem. Für die gab es vor drei Jahren bei „real“ eine „‘Hitler-Maske‘ und [einen] ‚Afrikakorps Tropenhelm‘“.
Ävver jede Jeck is anders. Es geht auch ohne Maske und ohne Hose:
„Sportminister tritt in Unterhose im Fernsehen auf.“
Gibt es eigentlich auch eine Unterhosen-Verschwörungstheorie? Selbstverständlich. Die Lange-Unterhosen-Theorie:
„Wenn alle Menschen in einem Land 60 Jahre lang lange Unterhosen tragen würden, dann könnten sie diese nie wieder ausziehen.“
Hat wer gesagt? Trofim Lyssenko 1953, sowjetischer Agrarwissenschaftler. Die Tyumen-Baumwollunterhose. Empfohlen von der Sowjetunion für China und Nordkorea. Um Erkältungen zu reduzieren und die Konstitution zu verbessern. Lyssenko war …:
„… der Auffassung, dass die Umwelterfahrungen direkt an die nächste Generation weitergegeben werden. Die langen Unterhosen waren aus dieser Ideologie heraus ein vergiftetes Geschenk: Nach drei Generationen sollten die Chinesen so verweichlicht sein, dass sie in den Gebieten Stanovoy, Sibirien und Mongolei nicht mehr überlebensfähig wären.“
Eine Theorie, die 2011 in chinesischen Internetforen dank „Phishing-König Tan“ noch einmal fröhliche Urständ feierte.
„Aktuelle Sicherheitswarnungen des Computer-Notfallteams der Sparkassen-Finanzgruppe“. Phishing – keine Verschwörungstheorie, sondern gängige Praxis.
Verschwörungstheorie leicht verstehen. Ab drei Jahren. „logo!“ erklärt:
„Menschen, die eine Verschwörungstheorie verbreiten, unterstellen damit meist einer Gruppe, mächtigen Politikern, reichen Firmenbossen oder auch schon mal Außerirdischen, dass sie im Geheimen etwas Schlechtes im Schilde führen. Angeblich würden diese etwas planen, was ihnen einen Vorteil verschafft und allen anderen Menschen schadet.
Wer eine Verschwörungstheorie verbreiten möchte, versucht sie zu beweisen, indem er ein paar Fakten sammelt, die in sein Bild passen und sie mit ausgedachten Informationen mischt. Einen echten Beweis für die Verschwörungstheorie gibt es nicht. Viel davon ist absichtlich gelogen oder ausgedacht.
Natürlich darf jeder Mensch seine Meinung frei äußern, mit Verschwörungstheorien versuchen einige aber ganz bewusst, andere Menschen und Gruppen schlecht zu machen. Und viele dieser Verschwörungstheorien klingen erstmal auch ganz logisch und nachvollziehbar. Daher gibt es immer auch einige Menschen, die sie glauben, vor allem in Zeiten, in denen viele verunsichert sind, wie zum Beispiel jetzt in der Corona-Krise tauchen Verschwörungstheorien besonders häufig auf.“
Noch etwas? Selbstverständlich:
„Zum Schutz von Minderjährigen wurden Kommentare bei diesem Video von YouTube deaktiviert.“
Wobei, liebe Kinder, Verschwörungen keine Theorie, sondern Verbrechen sind.
Und „Österreich existiert [gar] nicht“. So wie Bielefeld. Nur anders. Die Ösi-Verschwörung. „Nachts beim Nobel-Italiener. Ösi-Präsident missachtet Corona-Sperrstunde … dann kam die Polizei vorbei“. Was könnte der Spaß den Wirt kosten? Bis zu 30 000 Euro.
In Berlin wurde auch kassiert. Das Erreger-Mindestabstands-Bußgeld. Vom Berliner Verfassungsgericht. Hygieneregeln gelten allerdings weiter: Vor dem Klöchen, nach dem Essen Händewaschen nicht vergessen. „Geschichten vom Klöchen. Ein Stabfigurentheater für Kinder ab 6“. Was es alles gibt:
„Kleine Kolumnen für’s Klo – Kurzweilige Literatur für das stille Örtchen […] Dietrich Mack stellt mit ‚Kleine Kolumnen für’s Klo‘ sicher, dass Leser überall mit unterhaltsamer Literatur versorgt sind.“
Fürs „[b]itte ohne Apostroph“.
Suppenküchenversorgung genießen in den Vereinigten Kolonien nun viele, die sich zuvor in einem amerikanischen Mittelklasselebenstraum zu befinden glaubten:
„Vor einigen Tagen konnte man im Fernsehen beobachten, wie hunderte Autos an mehreren Orten in den USA meilenweit Schlange standen, um Mahlzeiten abzuholen – und das waren keine alten Schrottkarren, die nur mit Seil und Klebeband zusammengehalten wurden – viele waren protzige Geländewagen und Mercedes etc. Aus den Gesprächen, die die Reporter mit diesen Leuten führten, wurde klar, dass sie vor noch wenigen Monaten, wenigen Wochen, bequeme Mittelklasseleben führten und dann plötzlich keine Arbeit, kein Einkommen mehr hatten und recht schnell pleitegingen.“
Oder heißt es pleite gingen? Nur bis 1996. Wer es unbedingt in zwei Worten sagen möchte, schreibt: Pleite machen. Rechtschreibreform konsequent zu Ende gedacht. Was sagt der Philosoph?
„Für mich gibt es nur ‚Entweder-oder‘. Also entweder voll oder ganz!“
Traurigerweise, so Clive Maund, seien viele der Wartenden davon überzeugt gewesen, dass es sich nur um ein temporäres Phänomen handele, nicht realisierend, „dass sie in Zukunft wohl Glück haben werden, überhaupt ihre Fahrzeuge am Laufen halten zu können.“ Das sei „das moderne Äquivalent der Warteschlangen vor den Suppenküchen der 1930er Jahre; und das bedeutet, dass wir uns bereits in einer wirtschaftlichen Depression befinden.“
Hinter der weltweiten Quarantäne, so Greg Mannarino, stecke die „Absicht der Wirtschaft den Stecker zu ziehen“, um „die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zum Erliegen zu bringen“. Damit könne die Fed unendliche Mengen Geld erschaffen, um alles aufzukaufen, ohne eine Hyperinflation anzufachen.
„Allein im März soll die Fed mit bis zu 7 Billionen US-Dollar interveniert haben.“
Das 2,5 Billionen Dollar schwere Konjunkturpaket landete vornehmlich bei Großkotzkonzernen, „die mit teilweise hohen Liquiditätsreserven in die Krise gingen und mit noch mehr wieder hinausgehen“. Oder heißt es herausgehen?
„Her- und hin-Adverbien legen die Bewegungsrichtung in Bezug auf den Sprecher fest. Meistens stimmt dies mit der Bewegungsrichtung in Bezug auf das im Satz genannte Objekt überein.“
Also?
Mittelständische Betriebe, die auch in den USA eine bedeutende volkswirtschaftliche Rolle spielen, erhielten daraus insgesamt nur 350 Mio. Dollar. 0,014 Prozent. Das Ganze bei fairer Verteilung der Zinslasten:
„Großunternehmen zahlen im Regelfall nur 0,1% Zinsen, der Mittelstand aber das Zehnfache, nämlich 1%! Und während ‚die Großen‘ Geld auf Zuruf erhalten, müssen sich die Kleineren vorab einer genauen Bonitätsprüfung unterziehen.“
Zuständig für die Vergabe des Geldes Steven Mnuchin, US-Finanzminister und früherer Stechpalmenwald-Produzent:
„Mnuchin verfügte u.a. eine schnelle Auszahlung an den Disney-Konzern, der zwar mehr als 100.000 Mitarbeiter in eine Art ‚Kurzarbeit‘ schickte, gleichzeitig aber sein fürstliches Vergütungsprogramm für Führungskräfte unangetastet ließ.“
Die Wall Street und der Präsident. Und der Filius zwitschert: „Ein großer Tag für den Dow“. Der Optimismus bläst die Aktienmärkte in der Spätfrühlingssonne mal so richtig auf. Zahlen, die man seit Anfang März nicht mehr gesehen habe. Allzeithoch in Sichtweite. 12 Jahre Aufblaserfahrung seit 2008 machen sich eben bezahlt. Wunderbar.
Die Gretchenfrage, wie man eine unbegrenzte Geldmenge schaffen könne, ohne die Geldumlaufgeschwindigkeit zu beschleunigen, wie man die Welt kaufen und auch die Aktienmärkte und die Schuldenmärkte oben halten und einen Zinsanstieg vermeiden könne, sei von der Fed erregermäßig beantwortet worden, so Clive Maund. Allerdings wisse die Fed nicht, dass sie wie König Knut der Große handele, der seinen Thron bei Ebbe ins Meer stellte:
„Als die Flut kam, befahl er dem Wasser, zurückzuweichen – ohne Erfolg. Seinen verwirrten Begleitern kommentierte Knut das Geschehene trocken: ‚Die Taten von Königen mögen aus der Sicht von Menschen bedeutsam sein, aber sie sind nichts im Angesicht von Gottes Macht.‘“
Wobei die Fed und Vergleich gewaltig hinken. Demut ist eine Vokabel, die im Wortschatz der Banker Gottes selbstverständlich fehlt.
Nicht an einem speziellen Gruß fehlen ließen es brasilianische Fallschirmjäger. Für ihren Präsidenten. Der Führer hätte seine Freude gehabt. Der brasilianische Präsident Bolsonaro ist bekannt dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. „‘Du hast ein Gesicht wie ein fürchterlicher Schwuler‘ – so klang Brasiliens Politik im Jahr 2019.“ Nicht zu kurz kommt auch die Umwelt: „Du musst einfach weniger essen. Und um die Umweltverschmutzung zu reduzieren, gehst Du einfach nur jeden zweiten [Tag] kacken. Das wird unser Leben sehr verbessern.“
Apropos weniger essen, hier der Erfahrungsbericht eines Philosophen:
„Meine Frau ist noch in Ghana. Deswegen gibt es nicht so viel zu essen. Ich hoffe, sie bleibt noch lange.“
Allerdings stellt sich die Frage, wofür beim Stuhlgang einsparen, wenn der Einspareffekt von ganz ungewohnter Seite schon wieder zunichte gemacht wird:
„Bolsonaro nennt […] zwei Gouverneure ein ‚Stück Scheiße‘ und einen ‚Haufen Mist‘, weil sie Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie verordneten und sich ihm damit widersetzen.“
Gibt es eine Antwort? Selbstverständlich. „Yaakov Litzman, einer der Abgeordneten der Fraktion des United Torah Judaism“, hat die Hauptantwort auf die Fragen gefunden, die die Pandemie aufgeworfen hat: Der Messias kommt bald. „Leck mich en de Täsch.“ Noch vor dem Messias trat Rabbi Alter auf den Plan und befahl dem israelischen Gesundheitsminister, zurückzutreten. Alter Verwalter!
Was sagt der Philosoph?
„Weitere Fragen kann ich nicht beantworten. Ich muss jetzt zu meinen Spielern. Die sind so blind, dass sie den Weg von der Kabine zum Bus nicht finden.“
Zurückgetreten war Adolfo Nicolas, Ordensgeneral der Jesuiten, bereits 2016. Nun ist er von uns gegangen. Der schwarze Papst. Der versprochene Kadavergehorsam gilt freilich über den Tod hinaus:
„Ich verspreche […], daß ich keine eigene Meinung oder eigenen Willen haben will oder irgendeinen geistigen Vorbehalt, was auch immer, selbst als eine Leiche oder ein Kadaver, sondern bereitwillig jedem einzelnen Befehl gehorche, den ich von meinem Obersten in der Armee des Papstes und Jesus Christus empfangen mag. […]
Außerdem verspreche ich, daß ich, wenn sich Gelegenheit bietet, unbarmherzig den Krieg erkläre und geheim oder offen gegen alle Ketzer, Protestanten und Liberale vorgehe, wie es mir zu tun befohlen ist, um sie mit Stumpf und Stiel auszurotten und sie von der Erdoberfläche verschwinden zu lassen; und ich will weder vor Alter, gesellschaftlicher Stellung noch irgendwelchen Umständen halt machen. Ich werde sie hängen, verbrennen, verwüsten, kochen, enthäupten, erwürgen und diese Ketzer lebendig vergraben, die Bäuche der Frauen aufschlitzen und die Köpfe ihrer Kinder gegen die Wand schlagen, nur um ihre verfluchte Brut für immer zu vernichten.
Und wenn ich sie nicht öffentlich umbringen kann, so werde ich das mit einem vergifteten Kelch, dem Galgen, dem Dolch oder der bleiernen Kugel heimlich tun, ungeachtet der Ehre, des Ranges, der Würde oder der Autorität der Person bzw. Personen, die sie innehaben; egal, wie sie in der Öffentlichkeit oder im privaten Leben gestellt sein mögen. Ich werde so handeln, wie und wann immer mir von irgendeinem Agenten des Papstes oder Oberhaupt der Bruderschaft des heiligen Glaubens der Gesellschaft Jesu befohlen wird.“
Im Namen des Satans, des Hohnes und des unheiligen Geistes. Adolfo Nicolas – von uns gegangen.
Und Richard Grenell gehe auch bald, so die Bordkapelle. Zunächst noch mit einem Hauch von Fake-News-Emission der Deutschen Presseagentur, dann aber polternd: Man mache einen Fehler, wenn man glaube, dass der amerikanische Druck abnehmen werde, wenn er weg sei. Deutschland müsse aufhören, die Bestie zu füttern.
Über den Abgang freut man sich in Deutschland schon grün und rot. Auf eine Verbesserung der diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Kolonien. Die avisierte Demission des Botschafters sei folgerichtig, so Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour. Ansonsten Schwamm bzw. Gras drüber:
„Es ist schon über so viele Dinge Gras gewachsen, dass man bald keiner Wiese mehr trauen kann.“
Sagt der Philosoph.
Aus den Vereinigten Kolonien gibt’s derweil ein bisschen Wasser in den Schaumwein: „Botschafter Grenell hat sich weiterhin aktiv an den Prioritäten der Verwaltung für Deutschland beteiligt, während er als amtierender Geheimdienstkoordinator tätig war“. Man verfolge mit ihm „weiterhin offensiv wichtige politische Ziele als Teil eines regierungsweiten Ansatzes.“ So eine Sprecherin. Die Prioritäten der Verwaltung für Deutschland.
Die Führung der Truppe arbeitet weiterhin offensiv an dem wichtigen Ziel, rechte Individuen aufzuspüren: „Wir werden Sie finden und entfernen!“ So General Markus Kreitmayr. Er übertreibe nicht, wenn er sage, dass die Truppe derzeit die schwierigste Phase ihrer Geschichte durchlebe:
„In einem Brief (liegt BILD vor), verschickt am 18. Mai, stellt General Markus Kreitmayr klar“, dass sich inmitten der Gesellschaft immer noch verfassungsuntreue rechtsextreme Reichsbürger-Individuen befänden, die der „Bundeswehr als Ganzes, aber auch jeder und jedem Einzelnen von uns ganz persönlich, massiven Schaden zugefügt“ hätten. Verschickt am 18. Mai. Was soll uns das sagen?
Verschickt würden bei einer Briefwahl Wahlzettel an alle, die nicht bei drei auf den Bäumen seien, so der Präsident. Was einer epischen Kreativauszählung zuarbeite. Das Gezwitschernetzwerk ließ es sich nicht nehmen, mit einem Link link zu reagieren:
„Get the facts about mail-ballots.“
„Erhalte die Fakten über Briefwahlsendungen“: Der Präsident habe eine Reihe von Behauptungen über potentiellen Wahlbetrug aufgestellt, „nachdem der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom einen Versuch angekündigt hatte, die Briefwahl in Kalifornien während der COVID-19-Pandemie auszuweiten.“ Diese Behauptungen seien aber laut CNN, Washington Post und anderen unbegründet. Experten hätten gesagt, „dass Briefwahlen nur sehr selten mit Wahlbetrug in Verbindung gebracht werden.“ Die versammelten Koniferen geballten Expertenwissens.
Und nun hat das Gezwitschernetzwerk noch einmal einen draufgesetzt. „Ich verwarne Ihnen“. „Dieser Tweet verstößt gegen die Twitter Regeln zur Gewaltverherrlichung.“ Was hat der Präsident denn gesagt? „Wenn es Schwierigkeiten gibt, werden wir die Kontrolle übernehmen, aber wenn die Plünderungen beginnen, beginnt die Schießerei.“ „[I]ch danke Sie.“
Der Präsident „hat das Regieren beendet“: „Nichtstun und ein wenig Twitter“.
Aber es regt sich Widerstand:
„‘Hör‘ auf, uns zu töten!‘ [Sieben] Demonstranten brüllen Trump-Kolonne an“.
Hat der Präsident etwas gesagt? Selbstverständlich. Überall brauche es eine ID, nur nicht beim Wählen:
„Wissen Sie, wenn Sie ausgehen und Lebensmittel kaufen wollen, brauchen Sie einen Ausweis. Wenn man fast alles machen will, braucht man einen Ausweis. Das Einzige, wofür man keinen Ausweis braucht, ist das Wählen, die wichtigste einzelne Sache, die man tut – wählen.“
Ein Fall für den CNN-Faktenchecker. Millionen von Amerikanern kauften jeden Tag ein, ohne nach dem Ausweis gefragt zu werden. Gut. Aber was nicht ist, darf ja wohl noch werden: ID2020. „Warum ist die digitale ID wichtig, was sind ihre Vorteile“? Zum Beispiel der „Zugang zu grundlegenden kritischen Dienstleistungen wie Bildung oder Gesundheitsversorgung“. Oder die Vereinfachung des Einkaufens. Gut und digital.
„Was ist eine ‚gute‘ digitale Identität? „Eine ‚gute‘ digitale Identität ist eine Identität, die wirklich die Ihre ist. Mit einer ‚guten‘ digitalen Identität können Sie Ihr Recht auf Privatsphäre, Sicherheit und Wahlmöglichkeiten genießen. […]
Eine ‚gute‘ digitale Identität ist eine Identität, die tragbar, beständig, die Privatsphäre schützend und persönlich ist. Portabilität bedeutet, […] dass Ihre digitale Identität ein Leben lang bei Ihnen bleibt […] Kurz gesagt, ein ‚gutes‘ Digitales gehört Ihnen.“
Wunderbar. Und das Ganze trägt auch gar nicht auf – Reiskorngröße -, aber es sagt mehr als tausend Worte.
Fehlt noch der Ticker:
- „11:58 Uhr Brief zu spät geliefert – Post muss 18.000 Euro zahlen“. Was soll …?
- „13:27 Uhr […] Der designierte US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat Präsident Donald Trump einen ‚absoluten Idioten‘ genannt, weil dieser sich über Bidens Gesichtsmaske lustig gemacht hatte.“
- „15:16 Uhr ‚Große Nachfrage‘ – […] Der einschlägig bekannte Prager Militaria-Verlag ‚Nase vojsko‘ (Unsere Armee) verkauft einen Wandkalender mit zahlreichen Nazi-Größen. […] Wegen der ‚großen Nachfrage‘ gebe es derzeit eine Lieferfrist von 14 Tagen, heißt es im Online-Shop.“
- „17:10 Uhr Mann schneidet sich Penis ab und wirft ihn weg. […] Wenig später fanden die alarmierten Polizisten den Verletzten in einem Gebüsch – nicht aber seinen Penis, von dem immer noch jede Spur fehlt.“
- „18:45 Uhr Polizeischüler fliegen nach „Heil Hitler“-Rufen aus Hochschule“.
- „19:14 Uhr Pferd wegen Corona-Verdachts unter Quarantäne gestellt“.
Gaga. Die passende Musik gibt’s von Lady Gaga. Ihr neues „Album ‚Chromatica‘ erscheint am 29. Mai. Damit ihre Fans sich auch richtig vorbereiten können, teilt Gaga eine gute Laune Playlist.“ Unterstützung gibt’s von Ariana „Deal With The Devil“ Grande. Beide gemeinsam „als bezaubernde Wetterfrauen“: „Rain on Me“.
Hat der Führer etwas gesagt?
„Ich habe gesagt: Verrückt!“
„[Es] braucht […] nur ein Orkan zu kommen und alles fliegt zusammen wie ein Kartenhaus.“
Und nun ist er halt da, der Orkan.
„[Und] am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“
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[Titelbild in höherer Auflösung]